Guenzburger Zeitung

Angst vor dem Messerstec­her geht um

Ein Mann sticht in Nürnberg auf drei Frauen ein und verletzt sie teils lebensgefä­hrlich. Ein Terroransc­hlag? Die Tat eines Verrückten? Die Polizei sucht den Täter und ein Motiv

- VON SILKE ROENNEFAHR­T UND LORENZ BOMHARD

Pietro Renda kann noch immer nicht ganz fassen, was da vor seiner Ladentür geschehen ist. Der 57-Jährige hatte kurz vor Geschäftss­chluss noch eine Kundin, als ein junger Mann in seinen Friseursal­on stürmte und um ein paar Handtücher bat. Ein bislang unbekannte­r Täter hatte in unmittelba­rer Nähe sein erstes Opfer niedergest­ochen, der junge Mann war Ersthelfer und bat Renda um Unterstütz­ung. Direkt auf der Bank vor seinem Salon habe die schwer verletzte 56-Jährige gesessen, so Renda. Sie habe unter Schock gestanden und erzählt, dass der Unbekannte ohne Vorwarnung auf sie eingestoch­en habe. „Wie kann das sein, dass jemand einfach auf wildfremde Menschen losgeht?“, fragt der gebürtige Sizilianer, der seit 35 Jahren in Deutschlan­d lebt.

Diese Frage stellen sich in Nürnberg am Freitagmor­gen viele. Ein Unbekannte­r hat am Vorabend im Stadtteil St. Johannis unweit der Kaiserburg drei Frauen niedergest­ochen und schwer verletzt. Zwei der drei Opfer im Alter von 26, 34 und 56 sind zunächst in Lebensgefa­hr – erst nach Stunden geben die Ärzte Entwarnung. War es ein Terroransc­hlag? Hass auf Frauen? Die Tat eines Verrückten? Die Spekulatio­nen gehen in alle Richtungen. Die Polizei hat bisher keine Hinweise auf einen terroristi­schen Hintergrun­d. Der Täter ist auf der Flucht.

Im ganzen Stadtteil ist die Verunsiche­rung groß. Viele haben schon in der Nacht geahnt, dass etwas passiert sein muss. Stundenlan­g zog ein Polizeihub­schrauber seine Kreise. „Das ist ein mulmiges Gefühl“, sagt der 44-jährige Tom Dorn. Er ist Mitarbeite­r im Café Fatal, wohnt im Stadtteil und macht sich vor allem um die Sicherheit von Frau und Kind Gedanken. „Solange der Mann nicht gefasst wird, werde ich mich auf dem Heimweg genauer umschauen“, sagt auch Kerstin T., die Gast in dem Café ist. Wie viele andere auch rätselt die 53-Jährige über die Hintergrün­de der Tat. „Vermutlich ist da einer ausgetickt.“An einen Terroransc­hlag glaubt sie nicht. „Vielleicht hatte da einer einen Hass auf Frau- en?“, fragt sie. Zu Hause einschließ­en will sie sich nicht – wenngleich der Täter noch nicht gefasst ist.

Ein Verdächtig­er ist der Polizei am Donnerstag­abend durch die Lappen gegangen: Er flieht, als er eine Streife sieht, in ein Haus. Gefunden haben die Einsatzkrä­fte ihn nicht. War das der Täter? „Es ist eine Spur, die überprüft wird“, sagt ein Polizeispr­echer lediglich. Der Gesuchte hat die Fußgängeri­nnen zwischen 19 und 23 Uhr angegriffe­n – er soll sofort zugestoche­n und zuvor nicht mit seinen Opfern gesprochen haben. Die Staatsanwa­ltschaft sieht die Taten daher jeweils als versuchten Mord. Die Tatwaffe ist bisher unbekannt – von einem Messer will die Polizei nicht zwingend sprechen. Bei dem Täter soll es sich um einen 25 bis 30 Jahre alten Mann handeln.

Die Polizei setze alles daran, die Taten schnellstm­öglich aufzukläre­n, betont der mittelfrän­kische Polizeiprä­sident Roman Fertinger. Solche Fälle – und dann noch ausgerechn­et in der besinnlich­en Adventszei­t – beeinträch­tigten verständli­cherweise das Sicherheit­sempfinden der Menschen, sagt er. Er betont jedoch: Die Zahl der Straftaten im öffentlich­en Raum habe nicht zugenommen. Man könne daher nicht von einer „großen Gefährdung“sprechen. Und doch fühlen sich viele Menschen unsicher. Das hat auch eine neue Bürgerbefr­agung in Nürnberg ergeben. Das Sicherheit­sgefühl der Bewohner hat demnach abgenommen. Genauere Ergebnisse der Befragung wollte die Stadt ursprüngli­ch am Freitag vorstellen. Nach den Angriffen wurde der Termin aber erst einmal abgesagt.

Die Polizei geht derzeit von einem Einzeltäte­r aus. Die Vorgehensw­eise sei „ungewöhnli­ch“. Eine Sonderkomm­ission mit mehr als 40 Beamten soll den Täter schnappen. Profiler helfen dabei. Die Ermittler stehen unter Druck. Sie müssen sich auch gegen Vorwürfe zur Wehr setzen, nicht spätestens nach dem zweiten Angriff eine Warnung über die sozialen Medien abgesetzt zu haben. Die Beamten gingen jedoch zunächst von einem Einzelfall aus. Zudem seien bei der zweiten und dritten Tat kurz vor 23 Uhr nur wenige Menschen in den sozialen Medien unterwegs. Man habe auch „nicht die ganze Stadt in Unruhe versetzen“wollen, da sich die Taten auf einen recht kleinen Raum beschränkt­en, so Polizeiprä­sident Fertinger.

Ein Verdächtig­er geht der Polizei durch die Lappen

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Einer der Tatorte im Nürnberger Stadtteil St. Johannis. Am Morgen danach ist nur ein Absperrban­d der Polizei zu sehen. Am Donnerstag­abend hat ein Mann unversehen­s auf drei Frauen mit einem Messer eingestoch­en. Zwei der Opfer waren in Lebensgefa­hr. Der unbekannte Täter war zunächst noch auf der Flucht.
Foto: Daniel Karmann, dpa Einer der Tatorte im Nürnberger Stadtteil St. Johannis. Am Morgen danach ist nur ein Absperrban­d der Polizei zu sehen. Am Donnerstag­abend hat ein Mann unversehen­s auf drei Frauen mit einem Messer eingestoch­en. Zwei der Opfer waren in Lebensgefa­hr. Der unbekannte Täter war zunächst noch auf der Flucht.
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