Eine verfahrene Situation am Marktplatz
Dass es Ärger geben würde, war bereits am Montagabend klar. „Egal was wir heute beschließen, wir werden nicht nur Applaus bekommen“, hatte Oberbürgermeister Gerhard Jauernig prophezeit. Als der Günzburger Stadtrat den Beschluss fasste, den Marktplatz in den Sommermonaten für zwei Zeitfenster am Tag komplett für den Verkehr zu sperren, war der Protest schon programmiert. Wenig überraschend hat die Wirtschaftsvereinigung Günzburg heftige Kritik an dem Beschluss geübt, für knapp 300 000 Euro versenkbare Poller und Ampeln einzubauen, die nur der Stadtbus und Einsatzfahrzeuge bewegen können (siehe Seite 29). Auch wenn es nur für einige Stunden am Tag, genauer gesagt zwischen 11 und 14 Uhr sowie zwischen 17 und 2 Uhr nachts, und nur in den Monaten mit der Fußgängerzonen-Regelung ist (ansonsten dürfen dann allerdings auch nur Fahrzeuge mit Berechtigung in die Zone einfahren): Die Wirtschaftsvereinigung sieht damit den Marktplatz in echter Gefahr – bis hin zum Aussterben von Handel und Gewerbe in der guten Stube der Stadt. Ob man wirklich so schwarz sehen muss, sei dahingestellt. Klar ist jedoch: Es ist die Aufgabe der Wirtschaftsvereinigung, sich für die Interessen der Wirtschaft einzusetzen – und die hat nun einmal Nachteile durch die beidseitige Sperrung zu erwarten.
Am Marktplatz prallen speziell in den Sommermonaten Interessen aufeinander, die einerseits komplett gegensätzlich sind – andererseits aber auch in die gleiche Richtung gehen: Einheimische und Touristen, die Cafés und Restaurants frequentieren oder einkaufen gehen, sind auch Kunden derjenigen, die hier Waren angeliefert bekommen müssen. Anwohner und Anlieger genießen die Lage ihrer Wohnungen und Geschäfte in und an der Fußgängerzone, kämpfen aber mit Parkplatz- und Anfahrtsproblemen. Und dann gibt es noch dieses Drittel aller Fahrzeuge, das auf dem Marktplatz gezählt wurde, deren Fahrer keinerlei Genehmigung dafür haben, über den Marktplatz zu fahren – und es trotzdem tun. Weil es eine Abkürzung ist, weil es bequemer ist oder weil man bewusst oder unbewusst die ganze Situation mit der Fußgängerzone im Sommer und der freien Durchfahrt im Winter nicht verstanden hat.
Diese letzte, in der Regel uneinsichtige und auch schwer greifbare Gruppe ist das eigentliche Problem, das Günzburg hier hat. Und ausgerechnet diese führt jetzt dazu, dass die Stadt Hunderttausende Euro für ein System investiert, das ein wichtiger Teil der Günzburger Stadtgemeinschaft kategorisch ablehnt. Angesichts des Verkehrschaos kann man von einer verfahrenen Situation sprechen. Alle werden damit nicht glücklich in Günzburg werden, so viel steht fest. Und das daraus entstehende neue Problem wird sich leider auch nicht mit den Pollern im Boden versenken lassen.