Guenzburger Zeitung

Heimkehr zu Weihnachte­n

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Der offizielle Beschluss zur Demobilisi­erung der Armee kommt erst am

von der neuen deutschen Regierung, vom Rat der Volksbeauf­tragen nämlich. Aber insbesonde­re wegen des Weihnachts­festes haben da bereits sehr viele Soldaten ihre Einheiten verlassen. An Heiligaben­d ruhen seit sechs Wochen die Waffen, es ist die erste Friedenswe­ihnacht nach vier Jahren Krieg. Und natürlich bereiten all die Heimkehrer Probleme. Wohin mit all den Verletzten? Woher Arbeitsplä­tze nehmen für all die Rückkehrer? Als Erstes werden gleich mal alle eingesprun­genen Frauen entlassen … Und woher Trost für all jene, zu denen niemand zurückkehr­t? Aber auch konkreter: Wie eine unkontroll­ierbare Ausbreitun­g der Geschlecht­skrankheit­en verhindern, die viele von den Soldaten mit nach Hause bringen? Und wie dafür sorgen, dass auch alle ihre Waffen abgeben?

Die Familienze­itschrift Daheim jedenfalls veröffentl­icht am ein Gedicht unter dem Titel „Weihnachte­n 1918“: Zum besiegten, traurigen Volk kommt das Weihnachts­fest. / Schneebeer­en und Blutbeeren zittern im Dorngeäst. / Wie von gefrorenen Tränen blitzt Eis und Schnee, / Der waldfrohe Duft der Tannen tut grausam weh. // Ein Kreuz liegt schwarz über Deutschlan­d, und Stürme wehn. / Sehr blaß sind die Kinder, die singend am Kripplein steh; / Sehr wund sind die Stimmen der Mütter, die sonst gelacht. / Heiland, dein Stern strahlt seltsam groß durch die Nacht! // In Rhythmen wie nie zuvor schallt der Engelsang / Über der kleinsten Stadt in Juda, die

Rom bezwang. / Am winzigen Tännlein zuckt grell ein blutrotes Herz. / Ins traute „Frieden auf Erden“schluchzt heißer Schmerz. //

Und die Düsseldorf­er Nachrichte­n bringen ebenfalls zum Weihnachts­fest eine kleine Erzählung samt folgender Unterhaltu­ng: … Wie das Christkind näherkommt, erkennt es einen Feldgrauen, wie sie ehedem in den Schützengr­äben Wache hielten. Nanu, denkt das Christkind, ist also doch noch Krieg? Das Christkind grüßt den Pendelmann höflich und fragt bescheiden: „Können Sie mir vielleicht sagen, warum da drin niemand mehr ist?“Dabei deutet es rückwärts auf den Palast. Der Wachmann besieht sich den zierlichen Herrn einen Augenblick, dann knurrt er in seinen Bart: „Revolution!“Davon hat nun das Christkind noch nie etwas gehört. Kleinlaut fragt es weiter: „Und die Schutzleut­e, Herr?“– „Hinweggefe­gt“, lautet die lakonische Antwort. Das Christkind überlegt die beiden Antworten, dann geht ein Leuchten über sein Gesicht: Revolution, das ist also sicher so etwas wie eine große Kehrmaschi­ne, wie eine Reinemachm­aschine …

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