Guenzburger Zeitung

„Alle Jahre wieder“

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„Alle Jahre wieder“kennen wir als Redewendun­g für Wiederholu­ng und feste Rituale. Die praktizier­en wir besonders in der Advents- und Weihnachts­zeit: Kerzen aufstellen, Geschenke besorgen, Karten schreiben – und den Adventskal­ender aufhängen. Der kann ganz unterschie­dlich gestaltet sein und beinhaltet nicht immer eine christlich­e Botschaft. Es gibt auch welche mit Gewinnspie­len. Der Geldsegen steht da im Mittelpunk­t, nicht dass Gott in Jesus Mensch wird und wir das als Segen erleben. Alle Jahre wieder auch die Klage über die Kommerzial­isierung des Christfest­es und die Sorge, dass die Leute kaum noch die Bedeutung von Weihnachte­n kennen.

„Alle Jahre wieder kommt das Christuski­nd auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind.“So beginnt das Weihnachts­lied, aus dem die Redewendun­g stammt. Vor etwa 200 Jahren dichtete Wilhelm Hey das Lied. Er war Pfarrer und engagierte sich für sozial-karitative Maßnahmen, z. B. ein „Kinderheim“, das arbeitende­n Müttern die Sorge um ihre Kleinen abnahm. Er wurde von seinen Zeitgenoss­en als „ein um ganz Deutschlan­ds Jugend hochverdie­nter Mann“geehrt. Sein Lied hat sich über Generation­en eingeprägt: „Alle Jahre wieder kommt das Christuski­nd auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind; kehrt mit seinem Segen ein in jedes Haus, geht auf allen Wegen mit uns ein und aus; ist auch mir zur Seite still und unerkannt, dass es treu mich leite an der lieben Hand.“

Mit dem Wissen um Wilhelm Heys Einsatz für die Schwachen und Kleinen klingen diese Worte für mich nicht kitschig. Vielmehr wird darin Gottes Liebe zu einem jeden von uns beschriebe­n, Sozialroma­ntik in anrührende Worte gekleidet. Ich glaube, das tut einer Gesellscha­ft gut, in der der schneidend­e Wind des Wettbewerb­s und der Ausgrenzun­g zu spüren ist und materielle­s Gewinndenk­en sich schon hinter den Türchen von Adventskal­endern breitmacht. Dagegen kann ich das Weihnachts­lied singen: Alle Jahre wieder.

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