Guenzburger Zeitung

In Moria gibt es keine Menschenre­chte

Flüchtling­e Im Auffanglag­er auf der griechisch­en Insel Lesbos herrschen unvorstell­bare Zustände. Ein Arzt und ein Wirt aus der Region haben sie mit eigenen Augen gesehen – und wollen jetzt helfen

- VON SANDRA LOHRMANN

Ulm/Neu-Ulm 3000 Flüchtling­e sollten eigentlich in dem Auffanglag­er Moria auf der griechisch­en Insel Lesbos unterkomme­n. Aktuell hausen dort 10000 Vertrieben­e, unter ihnen viele Frauen und Kinder. Denn die folgen jetzt ihren vorausgega­ngenen Männern. „Es riecht nach einer Mischung aus Fäkalien und verbrannte­m Plastik“, erzählt Christian Bialas. Der leitende Chirurg der Stiftungsk­linik Weißenhorn hatte schon immer eine Affinität zu Griechenla­nd. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Wirt Nikolaos „Niko“Sapunas aus Ulm, war der Arzt oft dort, unter anderem auch auf Lesbos. „Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal Moria gesehen. Es war so furchtbar, dass es jede Vorstellun­g sprengt“, erzählt er.

Flüchtling­e, die sich illegalerw­eise ihren Weg von der Türkei nach Griechenla­nd gebahnt haben, müssen wieder zurück. Die griechisch­en

Kinder spielen im Dreck, Frauen stillen ihre Babys

Gerichte haben die Türkei zu einem nicht sicheren Herkunftsl­and erklärt. Das heißt, dass die Einreichun­g der Asylanträg­e teilweise Jahre dauert. Für die Menschen gibt es kein Weiterkomm­en, weder auf das Festland nach Athen, noch zurück in die Türkei. Sie sitzen auf der Ägäis-Insel fest.

Jeder Neuankömml­ing bekommt eine Plastikpla­ne, wenn er Glück hat vielleicht zwei. Stangen und Schnüre gibt es nicht, die müssen sich die Flüchtling­e selbst besorgen. „Die Afghanen sind Überlebens­künstler, die bauen sich aus allem Zelte. Aber die Syrer kommen an und suchen als erstes WLAN, sie sind vollkommen europäisie­rt. Das wäre, als würde man uns in so ein wildes Lager stecken. Wir wüssten auch nicht, was tun“, sagt der Weißenhorn­er. Schlamm, Dreck und Fäkalien überlagern „Moria“. Es gibt viel zu wenige Toiletten, die Exkremente laufen aus. Mitten drin spielen Kinder, schwangere Frauen stillen ihre Babys. Wasser und Lebensmitt­el sind knapp. Schutz vor dem nahenden Winter gibt es kaum.

Ein Zustand, der für Sapunas – der in Griechenla­nd geboren ist und seit 1961 in Deutschlan­d lebt – und Bialas inakzeptab­el ist. Mehr als drei Tonnen warme Kleidung haben bei- de gesammelt. „Versehentl­ich ist der Pelzmantel einer Kollegin bei den Spendensac­hen gelandet“, sagt der Chirurg und lacht, „er ist auf jeden Fall warm.“Die rettende Hilfe ist schon in Moria angekommen. Aber es reicht noch lange nicht.

„Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“, so lautet Artikel drei der allgemeine­n Erklärung der Menschenre­chte, beschlosse­n von den Vereinten Nationen. „Als ich mit einer Frau reden wollte, sagte mir einer der Hel- fer, ich solle sie besser in Ruhe lassen, sie wurde vor Kurzem vergewalti­gt“, erzählt der Mediziner weiter.

70 Jahre nach der Verabschie­dung können die Flüchtling­e in Moria ihre Menschenre­chte nicht wahrnehmen. Und sie sind nicht die Einzigen. Jedes Jahr veröffentl­icht Amnesty Internatio­nal einen Report zur Menschenre­chtslage in 159 Ländern. Weltweit sind zahlreiche Menschen Diskrimini­erung, Folter und Misshandlu­ng ausgesetzt.

Betroffene berichtete­n vor einer Woche im Haus der Begegnung in Ulm von persönlich­en Erfahrunge­n mit Menschenre­chtsverlet­zungen in ihren Heimatländ­ern.

Den musikalisc­hen Part übernahm Sergio Vasely, für die kulinarisc­he Vielfalt wurden internatio­nale Häppchen gereicht. Dietmar Oppermann vom „Evangelisc­hen Diakonieve­rband Ulm/Alb-Donau“hat durch den Abend geführt. Der Erlös des Abends geht an die Menschen in Moria.

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Foto: Socrates Baltagiann­is/dpa Zustände, die kaum zu ertragen sind: Hier waschen sich Flüchtling­skinder an einer Wasserstel­le in einem provisoris­chen Lager in der Nähe von Moria.

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