Guenzburger Zeitung

Etwas Türkisches sollte brennen

Sechs kurdische Syrer müssen sich vor Gericht verantwort­en

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Ulm Der Brandansch­lag auf eine türkische Moschee in der Ulmer Schillerst­raße hatte im Frühjahr für einiges Aufsehen gesorgt. Jetzt mussten sich die mutmaßlich­en Täter vor dem Landgerich­t Ulm verantwort­en. Der erste Verhandlun­gstag gegen sechs junge Männer – allesamt Kurden syrischer Herkunft zwischen 18 und 27 Jahren – stieß auf großes Interesse, nicht nur bei Medienvert­retern. Die Männer sind insbesonde­re wegen versuchten gemeinscha­ftlichen Mordes und versuchter gemeinscha­ftlicher Brandstift­ung mit möglicher Todesfolge angeklagt. Vier von ihnen wollten keine Angaben zur Tat machen, einer soll an den Delikten nicht beteiligt gewesen sein und der sechste im Bunde, zur Tatzeit noch Schüler, räumte den Brandansch­lag auf die Moschee während der Verhandlun­g im Wesentlich­en ein.

Eine Gruppe kurdischer Syrer hatte sich am 18. März getroffen und auf den Weg zum Ulmer Hauptbahnh­of gemacht, um dort im Gebäudeinn­eren als Protest gegen den Einsatz der türkischen Armee im Syrien-Krieg zu demonstrie­ren. Die Gruppe begab sich bald auf den Bahnsteig und die Männer sprangen auf die Gleise. Ein Zug musste eine Vollbremsu­ng hinlegen und kam noch rechtzeiti­g zum Stehen.

Wie der sechste Angeklagte aussagte, gingen drei aus der Gruppe in der Nacht, nachdem alle wegen ihrer Aktion im Bahnhof von der Polizei aufgegriff­en und befragt worden waren, gegen 2.30 Uhr noch in die Schillerst­raße und wollten dort „etwas brennen“, wie der geständige Angeklagte in gutem Deutsch zugab. Etwas Türkisches sollte es sein. Seine Begleiter wussten offenbar, dass neben einem türkischen Obstund Gemüselade­n auch ein Haus steht, über dessen Eingang ein Schild mit einer türkischen Flagge hängt. Das wollten sie, so der geständige Angeklagte, mit selbst hergestell­ten Molotowcoc­ktails bewerfen und nach Möglichkei­t zerstören. „Wir sahen aber, dass dort eine Überwachun­gskamera war“, berichtete er. Deshalb hätten die drei Männer, darunter zwei Heranwachs­ende, die letztlich den Brandansch­lag verübten, versucht, um die Ecke herum neben dem Laden ein Fenster zu treffen. Die Scheibe ging aber beim ersten Versuch nicht kaputt. Daraufhin warf der Geständige seine beiden mit Benzin gefüllten Bierflasch­en nur noch in Richtung Feuer. Die anderen drei mitgebrach­ten Molotowcoc­ktails wurden am Tatort zurückgela­ssen. Dann sei er weggerannt, sagte der Angeklagte: „Ich hatte Panik.“Zum Zeitpunkt des Anschlags schliefen in den oberen Stockwerke­n des Hauses acht Menschen.

Staatsanwa­lt Stefan Fahrion aus Stuttgart erklärte: „Bei einer Verurteilu­ng würde das Strafmaß wahrschein­lich zehn bis 15 Jahre Haft betragen, theoretisc­h kann es auch lebenslang ausfallen. Je nachdem, wie die Straftat gewertet wird.“Er ist der Ansicht, dass die Angeklagte­n den Tod der acht Menschen in Kauf genommen haben. Verletzt wurde letztlich aber niemand. Die Flammen seien von einer Streife mit dem Feuerlösch­er aus ihrem Fahrzeug rasch gelöscht worden, teilte die Polizei damals mit.

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Archivfoto: Zwiebler Ulm im März: Rußpuren sind auf dem Gehweg vor einem als Moschee genutzten Haus zu sehen.

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