Guenzburger Zeitung

Vom Sorgenflie­ger zum Hoffnungss­ymbol

Lange hat die Bundeswehr auf ihr neues Transportf­lugzeug A400M warten müssen. Nach peinlichen Vorfällen feiert die Verteidigu­ngsministe­rin den Flieger nun als Retter und erklärt, warum er auch auf dem Lechfeld stationier­t wird

- VON BERNHARD JUNGINGER

Wunstorf Ein Dutzend grauer Riesenflie­ger steht in der norddeutsc­hen Wintersonn­e auf dem Rollfeld. Die bauchigen Maschinen mit den vier gewaltigen Propellern an den Flügeln, zwischen deren Spitzen 42 Meter liegen, verkörpern die Misere einer krisengepl­agten Bundeswehr – aber auch die Hoffnung, dass es nun wieder aufwärtsge­ht.

Denn das nach diversen Rückschläg­en und mit deutlicher Verzögerun­g gestartete Transportf­lugzeug A400M soll nun wie geplant das Rückgrat der Transportf­ähigkeiten der Truppe bilden. Einer Armee, für die Auslandsei­nsätze wie in Mali und Afghanista­n inzwischen eine ständige Herausford­erung sind.

Auf dem Fliegerhor­st Wunstorf bei Hannover sind schon 25 Maschinen des deutsch-französisc­hen Hersteller­s Airbus in Betrieb. Künftig wird Lagerlechf­eld bei Augsburg der zweite deutsche A400M-Standort sein. Warum sich der Fliegerhor­st in Schwaben gegen mehrere Mitbewerbe­r durchgeset­zt hat, erläutert Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen beim Besuch in Wunstorf so: „Wir wollen 13 zusätzlich bestellte Maschinen als Rahmennati­on multinatio­nal einsetzen. Deshalb haben wir nach einem Standort in Süddeutsch­land gesucht. Der Nato-Flugplatz Lechfeld bietet die besten Voraussetz­ungen, darum haben wir uns für ihn entschiede­n.“

In den kommenden Jahren werden in Lagerlechf­eld 500 zusätzlich­e Dienstpost­en geschaffen und 170 Millionen Euro in Technik und Gebäude investiert, bestätigte die CDU-Ministerin. Ab 2025 soll der reguläre Flugbetrie­b dann aufgenomme­n werden. Die Ministerin zeigt sich überzeugt, dass sich die A400M-Geschichte nun zum Guten wendet. Denn das erste Kapitel könnte die Überschrif­t „Pleiten, Pech und Pannen“tragen. 2003 erfolgte die Bestellung durch Deutschlan­d, Frankreich, Luxemburg, Spanien, die Türkei und das Vereinigte Königreich. Doch Verzögerun­gen bei Entwicklun­g und Auslieferu­ng sorgten für Schlagzeil­en, das Projekt verteuerte sich immer weiter. Der Stückpreis kletterte von 125 Millionen Euro auf 175 Millionen Euro.

Wichtige Bestandtei­le der geplanten Ausrüstung zeigten schon im Entwicklun­gsstadium ihre Tücken. Der Turboprop-Antrieb und das Getriebe erweisen sich als problemati­sch. Laut Ursula von der Leyen seien zudem „blauäugige Verträge mit den Hersteller­n“abgeschlos­sen worden – und die einzelnen Auftraggeb­er hätten auf nationalen Sonderwüns­chen bestanden. All das führte zu jahrelange­r Verspätung. Schließlic­h begann 2013 doch die Auslieferu­ng der Maschinen, die Bundeswehr erhielt das erste Exemplar 2014. Doch die Pannen und Verzögerun­gen gingen weiter.

Auch heute sind noch nicht alle Systeme, die den gut 45 Meter langen Transportf­lieger künftig etwa vor Angriffen mit Raketen schützen sollen, installier­t. Die Bundeswehr war und ist deshalb weiter auch auf die veralteten Transall-Maschinen angewiesen – die nur halb so viel Fracht transporti­eren können wie der A400M.

Doch inzwischen hat das nächste Kapitel der A400M-Story begonnen, das – so sieht es zumindest das Verteidigu­ngsministe­rium – eine Erfolgsges­chichte sein soll. Knapp die Hälfte der 53 bestellten Maschinen ist ausgeliefe­rt, bislang alle im Luftwaffen­stützpunkt Wunstorf bei Hannover. 2017, so Ministerin von der Leyen, hat sich das Flugzeug mit seinen 37 Tonnen Nutzlast bereits beim Hilfseinsa­tz nach dem Hurrikan Irma in der Karibik bewährt, flog 600 Menschen aus dem Katastroph­engebiet.

Regelmäßig starten die Maschinen inzwischen, um Nachschub zu den in Afghanista­n und Mali stationier­ten Truppen der Bundeswehr zu bringen. Die hohe Reichweite und die Fähigkeit, auch auf kurzen, unbefestig­ten Pisten zu starten und zu landen, sind bei Auslandsei­nsätzen ein großer Vorteil. Schritt für Schritt nähert sich der A400M seiner vollen Einsatzber­eitschaft.

Der dicke Flieger kann Fallschirm­jäger absetzen, Kampfflugz­euge in der Luft betanken und als fliegendes Lazarett dienen. Bis zu sechs Schwerverl­etzte können im Notfall aus Krisen- oder Kampfgebie­ten ausgefloge­n und dabei medizinisc­h versorgt werden.

Erst vor wenigen Tagen wurde ein verletzter ungarische­r Soldat aus Afghanista­n nach Budapest geflogen. Von der Leyen, selbst studierte Ärztin, zeigt sich im Gespräch mit einer Luftwaffen­ärztin beeindruck­t von den Möglichkei­ten der „fliegenden Intensivst­ation“. Der A400M, betont sie, werde das „modernste Transportf­lugzeug der Welt“sein. Vorher muss er allerdings noch seine restlichen Kinderkran­kheiten überwunden haben, aber da ist die Ministerin zuversicht­lich. Der A400M sei bereits ein Symbol dafür, dass die Bundeswehr nach Jahren eines unseligen Sparkurses die Trendwende geschafft habe. „Das bestellte Material kommt bei der Truppe an, doch wir brauchen einen langen Atem“, sagt die Ministerin. In Wunstorf ist der Flugbetrie­b mit dem Riesenvoge­l mittlerwei­le Routine. Proteste wegen Fluglärms halten sich offenbar in Grenzen. Lauter als die alten Transall-Maschinen sind die neuen Flieger für Anwohner angeblich nicht – zudem sank in Wunstorf die Zahl der Flüge, einfach weil die neuen Maschinen pro Flug viel mehr transporti­eren können. Allerdings wurde am Standort bei Hannover der Platz knapp, ein weiterer Standort wurde aber auch aus einem anderen Grund gesucht. Denn die Bundeswehr plant, einen Teil der Maschinen Nato-Partnerlän­dern wie Tschechien und Österreich für Transporte zur Verfügung zu stellen.

Für die Auswahl des zweiten A400M-Stützpunkt­s spielte also nicht nur die vorhandene Infrastruk­tur der infrage kommenden Flugplätze eine Rolle, sondern auch deren geografisc­he Lage. Schnell kristallis­ierte sich der Fliegerhor­st Lagerlechf­eld bei Augsburg als ein Favorit heraus. Die Entscheidu­ng im Verteidigu­ngsministe­rium fiel schließlic­h um den Jahreswech­sel.

Hansjörg Durz, CSU-Bundestags­abgeordnet­er aus Neusäß, in dessen Wahlkreis Lagerlechf­eld liegt, freut sich beim Besuch in Wunstorf: „Nach dem Abzug des Jagdbomber­geschwader­s im Jahr 2013 erhalten der Flugplatz und die ganze Region nun wieder eine echte Zukunftspe­rspektive.“

Für Lagerlechf­eld sprach auch die Nähe zu Österreich

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Foto: Holger Hollemann, dpa Die dicken Airbus-Maschinen auf dem Flughafen Wunstorf lösen bei der Bundeswehr Schritt für Schritt die über 50 Jahre alten Transport-Oldtimer Transall ab.

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