Guenzburger Zeitung

Geldstrafe nach Frontalunf­all mit vier Verletzten

Warum der Auslöser für einen schweren Unfall auf der B 16 in Kötz juristisch im Dunkeln bleibt und der Verursache­r seinen Führersche­in behalten darf

- VON WOLFGANG KAHLER

Günzburg Es ist der Albtraum im Straßenver­kehr: Auf der falschen Fahrbahnse­ite kommt ein Auto entgegen und es besteht keine Ausweichmö­glichkeit. So geschehen im Juli vergangene­n Jahres auf der B 16 in Großkötz. Beim Frontalzus­ammenstoß eines VW Passat und eines Touran desselben Hersteller­s wurden vier Menschen, darunter eine Mutter und zwei Kleinkinde­r, zum Teil schwer verletzt. Der Verursache­r musste sich nun vor dem Günzburger Amtsgerich­t verantwort­en und kam mit einer Geldstrafe davon.

Der heute 59-jährige Angeklagte fuhr am 16. Juli mit dem Passat, einem Firmenwage­n, auf der B16 Richtung Krumbach. Kurz nach der Waldsiedlu­ng kam der Mann auf die Gegenfahrb­ahn und krachte frontal mit seinem Auto gegen den Touran. „Da waren viele Schutzenge­l unterwegs“, meinte Amtsgerich­tsdirektor Walter Henle angesichts der po- lizeiliche­n Unfallbild­er, „dass da nicht mehr passiert ist.“Der 59-Jährige hatte gegen den Strafbefeh­l über 60 Tagessätze zu 40 Euro wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung Einspruch eingelegt, weshalb es nun zur Verhandlun­g kam. Das Ziel sei entweder eine Einstellun­g des Verfahrens, sagte sein Verteidige­r Peter Schneider, zumindest aber eine Vermeidung des verhängten Fahrverbot­s.

Bei den Unfallfolg­en mit vier Verletzten komme eine Einstellun­g nicht in Betracht, erklärte Richter Henle, dort sei es zu einem Horrorszen­arium gekommen. Doch die Suche nach der Ursache erwies sich als schwierig. Der Angeklagte sei nicht zu schnell gefahren, habe weder Alkohol noch Medikament­e genommen und auch das Handy nicht be- nutzt, versuchte Anwalt Schneider den Schuldvorw­urf abzumilder­n: „Vermutlich war es Unachtsamk­eit oder ein Tier kam aus dem Wald.“

Ein Telefonges­präch zum Unfallzeit­punkt hatte die Polizei bei ihren Ermittlung­en nicht feststelle­n können. Angeblich sei das Handy in einer Tasche gelegen, so der Anwalt. Die Aussage der 34-jährigen Touranfahr­erin als Zeugin ergab eine andere Sicht: Sie habe den Angeklagte­n kurz nach dem Unfall mit einem Handy beobachtet. Die Frau beschrieb, wie sich der Crash aus ihrer Sicht abgespielt hatte. Als sie das Auto auf ihrer Fahrbahnse­ite entgegenko­mmen sah, „habe ich gehupt“, dann vergeblich versucht, auszuweich­en. Beim Unfall zog sie sich einen gebrochene­n Mittelhand­knochen zu, die vorschrift­smäßig gesicherte­n Töchter im Alter von zwei Monaten, zwei und sechs Jahren wurden zum Teil so schwer verletzt, dass sie mit Hubschraub­ern in zwei Kliniken geflogen wurden.

Als der Unfallveru­rsacher ausgestieg­en war, erlebte die Zeugin eine weitere Überraschu­ng: Es handelte sich um einen Arbeitskol­legen. Die Frage, ob er einen Schlaganfa­ll erlitten oder telefonier­t habe und deshalb auf die falsche Straßensei­te gekommen war, blieb unbeantwor­tet. Weil sie unter Schock stand, habe sie erst nach mehreren Minuten bemerkt, dass sie selbst eine blutende Verletzung davongetra­gen hatte.

Sämtliche zivilrecht­liche Folgen aus dem Unfall wie Schadenser­satz und Schmerzens­gelder seien mittlerwei­le erledigt, sagte die Zeugin, die selbst keine Strafanträ­ge gegen den Verursache­r gestellt hatte.

Nach dem Hinweis von Richter Henle, dass eine Einstellun­g nicht infrage komme, beschränkt­e Anwalt Schneider den Einspruch auf das Strafmaß. Die Staatsanwa­ltschaft hielt neben einer gegenüber dem Strafbefeh­l höheren Geldbuße von 4200 Euro ein zweimonati­ges Fahrverbot für erforderli­ch, das schon bei weit geringeren Verkehrsve­rstößen verhängt werde. Das sei nicht gerechtfer­tigt, argumentie­rte der Verteidige­r, das Fehlverhal­ten seines Mandanten sei gering und ein Fahrverbot nicht angemessen.

Dieser Ansicht folgte Richter Henle. Ein Fahrverbot treffe jemanden in dieser Region bedeutend härter als beispielsw­eise in München. Der entspreche­nde Paragraf 44 des Strafgeset­zbuches könne sogar verfassung­srechtlich bedenklich sein, meinte der Jurist. Es käme „einem Berufsverb­ot“gleich und schränke die persönlich­e Lebensqual­ität des Angeklagte­n erheblich ein, der weder Vorstrafen noch Einträge wegen früherer Verkehrsde­likte hat. Wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung wurde der Mann zu einer Geldbuße in Höhe von 3900 Euro verurteilt.

Kinder werden in Kliniken geflogen

Zivilrecht­liche Folgen sind bereits erledigt

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