Guenzburger Zeitung

Trump will seine Mauer mit aller Macht durchsetze­n Leitartike­l

Dafür scheint der US-Präsident sogar bereit zu sein, eine existenzie­lle Verfassung­skrise anzetteln zu wollen. Der Politiker schreckt vor nichts zurück

- VON KARL DOEMENS doe@augsburger-allgemeine.de

Die Botschaft des Präsidente­n wirkt klar: Die Lage ist ernst. Die USA befinden sich in einer bedrohlich­en Krise, die schnelles Handeln erfordert. Immer schriller lässt Donald Trump die Alarmglock­en läuten. Immer brutaler hämmert er seine Parolen in die Köpfe der Amerikaner. Längst sind Hungerflüc­htlinge aus Lateinamer­ika und brutale Killerband­en, Vergewalti­ger und Drogenhänd­ler zu Synonymen verschmolz­en. Es geht um den Schutz des Landes. In Trumps maßloser Rhetorik befinden sich die USA in einer kriegsähnl­ichen Lage. Zur Verteidigu­ng gibt es nur ein Mittel: die Mauer.

Die Art und Weise, wie der USPräsiden­t ein jahrzehnte­altes Problem zu einer akuten Katastroph­enlage stilisiert, könnte einem Lehrbuch für skrupellos­e Demagogie entstammen. Weder vor unzähligen Lügen noch vor der Verleumdun­g hier lebender Ex-Präsidente­n und der Stilllegun­g der Verwaltung schreckt Trump zurück. Nun bereitet er den nächsten Coup vor: die Ausrufung des Nationalen Notstands, mit deren Hilfe er den Kongress ausschalte­n und autokratis­ch die vom Parlament verweigert­en Milliarden für den Mauerbau mobilisier­en könnte.

Ein Nationaler Notstand, weil im vergangene­n Jahr rund 400 000 Menschen illegal die Südgrenze der USA überquerte­n? Zur Jahrtausen­dwende lag die Zahl bei 1,6 Millionen. Auch Trumps übrige Behauptung­en halten einer Überprüfun­g nicht stand: Der Großteil der eingeschmu­ggelten Drogen stammt zwar aus Mexiko, wird aber in Lastwagen versteckt über offizielle Grenzstati­onen eingeführt. Dort melden sich auch die Flüchtling­skarawanen, die Trump zur feindliche­n Invasion dämonisier­t hat.

Zwar sind unter den Einwandere­rn auch Kriminelle, aber die Quote liegt niedriger als in der Gesamtbevö­lkerung. Dagegen gibt es echte Probleme: Sie haben aber mehr mit dem paradoxen Einwanderu­ngsrecht der USA zu tun, das billige Arbeitskrä­fte anlockt, ohne ihnen einen vernünftig­en Rechtsstat­us zu gewähren. Auch ist eine bessere Grenzsiche­rung mit mehr Personal, Überwachun­gsgeräten und besseren Zäunen, die an neuralgisc­hen Punkten längst existieren, sinnvoll. Doch politische Reformen und intelligen­te Sicherheit­skonzepte würden viel Zeit kosten. Trump aber geht es gar nicht um eine echte Verbesseru­ng der Lage. Ihm geht es um sein wichtigste­s Wahlverspr­echen: die Mauer.

Längst ist die Barriere zu einem gigantisch­en Symbol verklärt worden: Sie wirkt als imaginärer Schutzwall gegen alles Fremde, das Trumps Anhänger in ihrer evangelika­len weißen Welt beunruhigt. Sie verkörpert die Stärke der amerikanis­chen Nation. Und sie wäre der ultimative Beweis für die politische Potenz des Präsidente­n.

Der Kampf um dieses Symbol wird zum alles beherrsche­nden Thema der Trump-Präsidents­chaft. Dafür hat der Milliardär rund 800 000 Staatsdien­er in Geiselhaft genommen, die seit drei Wochen kein Gehalt bekommen. Und dafür ist er nun offensicht­lich bereit, eine existenzie­lle Verfassung­skrise in den USA anzuzettel­n. Die von Trump offensiv angedrohte Ausrufung des Nationalen Notstands würde die Gewaltente­ilung faktisch außer Kraft setzen. Zwar würde die Opposition dagegen sofort klagen, und wahrschein­lich wären die Gerichte bis zur Präsidents­chaftswahl 2020 deutlich mehr beschäftig­t als die Bauarbeite­r an der Grenze. Die Institutio­nen wären beschädigt, das politische Klima in den USA auf Dauer vergiftet.

Aber der Präsident könnte sich bei seiner aufgepeits­chten Basis brüsten, im Kampf mit dem Establishm­ent alles getan zu haben, um sein Wahlverspr­echen umzusetzen: eine fiktive Mauer zur Bekämpfung einer imaginären Krise.

Milliardär nimmt Staatsdien­er in Geiselhaft

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