So aktuell wie vor 100 Jahren
Seit einem Jahrhundert gibt es den katholischen Frauenbund auch in Günzburg. Mit einer Ausstellung wird an Ellen Ammann erinnert. Sie gründete die Organisation in Bayern. Ihre Ziele haben nichts von ihrer Bedeutung verloren
Günzburg Bekannt ist Ellen Ammann kaum. Dabei zählt sie zu den großen Frauen der jüngeren Geschichte Bayerns. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts hatte die gebürtige Schwedin Wagemutiges und Wegweisendes vollbracht – als Politikerin, als Frauenrechtlerin und als sozial engagierte Gründerin des katholischen Frauenbundes. Seit 100 Jahren gibt es diesen auch in Günzburg. Anlass genug, bei einer Feierstunde am Freitagabend und mit einer Wanderausstellung, die noch bis 1. Februar in der Sparkasse zu sehen ist, an Ellen Ammanns herausragendes Wirken zu erinnern. Ein Fazit: Ihre Einsichten und Forderungen sind so aktuell wie vor 100 Jahren.
Ammann war kein typisches Kind ihrer Zeit. Die 1870 in Stockholm geborene Ellen Aurora Sundström war emanzipiert, selbstbewusst, gebildet und kämpferisch. Das liberale und fortschrittliche Schweden war Deutschland in jenen Zeiten um Längen voraus. In jungen Jahren heiratete sie den deutschen Arzt Ottmar Ammann und zog mit ihm nach München. Sie arbeitete in dessen Privatklinik und gebar binnen elf Jahren sechs Kinder. Ein Heimchen am Herd war sie aber nicht. Sie erkannte beizeiten das Elend vieler Menschen in München, vor allem das der Frauen und Kinder. 1895, im Alter von erst 25 Jahren, arbeitete sie im marianischen Mädchenschutzbund mit und richtete in der Folge die erste Bahnhofsmission ein. 1904 gründete sie zunächst den Münchner Zweig des katholischen Frauenbundes, 1911 den bayerischen Frauenbund. 1909 hatte Ammann eine sozial-caritative Frauenschule aus der Taufe gehoben.
Bei der Feierstunde, musikalisch umrahmt vom Querflöten-Trio Leyna Gerstlauer sowie Jacqueline
Michelle Lauermann, würdigten Christine Wachter, Vorstandsmitglied des Günzburger Frauenbundes, die SPD-Landtagsabgeordnete Simone Strohmayr und Oberbürgermeister Gerhard Jauernig, der wie Sparkassen-Chef Daniel Gastl zum Jubiläum einen Scheck überreichte, das soziale Wirken von Ellen Ammann. Sabine Slawik, die stellvertretende Vorsitzende des katholischen Frauenbundes in Bayern, erinnerte zudem an das politische Engagement der in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen Frau. Als eine von nur sieben Frauen war Ellen Ammann 1919 in den bayerischen
eingezogen, dem sie bis zu ihrem allzu baldigen Tod 1932 angehört hatte.
Schon früh warnte sie vor der verheerenden Politik
Adolf Hitlers und seiner Nationalsozialisten. Dass
Hitlers Putschversuch am 9. November 1923 in München scheiterte, war nicht zuletzt Ellen Ammann zu verdanken.
Was lernen wir daraus? Ellen Ammann hatte sich für die Demound
kratie eingesetzt und gegen rechtsgerichtete Populisten gewandt. Ein erster Bezug zu heutigen Tagen, wie die Rednerinnen und Redner der Feierstunde betonten. Ein zweiter, aktueller Bezug: Ammann hatte sich für bezahlbaren Wohnraum, für sozialen Ausgleich, für Hilfen zugunsten armer Familien und für die gleichen Rechte aller stark gemacht. Vieles hat sich in den vergangenen 100 JahLandtag
ren für Frauen zum Besseren gewendet. In Parlamenten oder Wirtschaft ist das weibliche Geschlecht aber noch immer nicht angemessen vertreten. Nach wie vor gibt es zu tun. „Engagieren Sie sich“, appellierte Wachter an die Frauen, „in sozialer wie in politischer Hinsicht.“
OZu sehen Die Wanderausstellung zu Ehren von Ellen Ammann sowie eine gesonderte Ausstellung zur Historie des Günzburger Frauenbundes, organisiert von Gabriele Ritzler, ist noch bis 1. Februar zu den üblichen Öffnungszeiten in der Hauptstelle der Sparkasse in Günzburg zu sehen.