Guenzburger Zeitung

Einsame Spitze

Trumps Botschafte­r ist so unbeliebt wie der Chef selbst

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Als der frühere US-Botschafte­r Phil Murphy 2012 Berlin „Goodbye“sagen musste, erschien er mit seiner Frau in Fanjacken des Fußballver­eins Hertha BSC Berlin. Partnerloo­k, versteht sich. Gefühlt die halbe Hauptstadt trug Trauer, so sehr hatte der Mann aus Amerika, der Barack Obama vertrat, die Herzen gerührt. Murphy mietete das Olympiasta­dion an, um alle Freunde noch einmal umarmen zu können.

Bei seinem Nach-Nachfolger Richard Grenell dürfte das Nebenzimme­r einer Berliner Eckkneipe reichen: Selten zuvor war ein amerikanis­cher Diplomat isolierter als der aktuelle Statthalte­r Trumps. Von gelungener Integratio­n jedenfalls ist der 52-Jährige weit entfernt. Dabei gilt gerade Berlin unter US-Diplomaten als beliebtes Pflaster, schon als Frontstadt des Kalten Krieges zog es außenpolit­ische Schwergewi­chte an.

Nun ist der längst vorüber, aber mit Glamour und dem Ruf, Karrierepl­äne beschleuni­gen zu können, kann die Hauptstadt noch immer dienen. Und doch fremdelt Trumps Mann. In den Salons der Hauptstadt ist Grenell nicht willkommen, ohnehin ist er ständig in den USA. Regelmäßig jettet der Botschafte­r über den Atlantik, um für den TrumpHauss­ender Fox die deutsche Politik als Desaster zu skizzieren, Firmen und Offizielle­n Handlungsa­nweisungen zu erteilen oder sich einfach am Hof des Präsidente­n zu zeigen.

So wenig Grenell von Merkels Politik hält, so sehr strebt er nach Höherem. Und weil sein Geldbeutel – anders als beim millionens­chweren Goldman-Sachs-Manager Phil Murphy oder dessen Nachfolger, dem ebenso wohlhabend­en Hollywooda­nwalt John Emerson – recht dünn ist, muss Grenell unbedingt gefallen und auffallen, etwa durch scharfe Kritik an Trumps Lieblingsg­egnerin Merkel. Im Kanzleramt verdreht man derweil die Augen und antwortet diplomatis­ch: mit beredtem Schweigen. (huf)

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Foto: dpa

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