Guenzburger Zeitung

„Identitäre“nehmen Parteien und Medien ins Visier

Rechte Gruppe klebt Plakate. Vor dem Verlagshau­s der „taz“kommt es zu Handgreifl­ichkeiten

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Mutmaßlich rechtsextr­eme Aktivisten haben am Montag Plakate an mehrere Parteibüro­s und Medienhäus­er in ganz Deutschlan­d geklebt. In Berlin ist es dabei zu einem Handgemeng­e gekommen. Eine Mitarbeite­rin der Tageszeitu­ng taz, die verhindern wollte, dass Flugblätte­r an der Fassade angebracht werden, wurde laut Polizei von mehreren, überwiegen­d schwarz gekleidete­n Personen gepackt, gewürgt und gestoßen. Der Staatsschu­tz ermittelt wegen des Verdachts auf gefährlich­e Körperverl­etzung und Hausfriede­nsbruch.

Über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter bekannte sich die „Identitäre Bewegung“, eine fremdenfei­ndlich und völkisch orientiert­e Gruppierun­g, zu den Plakatieru­ngen. Diese seien Teil einer bundesweit­en Aktion, mit der die „Identitäre­n“nach eigener Darstellun­g gegen die angebliche Verharmlos­ung linksextre­mer Gewalttate­n durch Medien und Parteien protestier­ten.

Weitere Plakate, auf einem davon ist der verletzte Bremer AfD-Vorsitzend­e Frank Magnitz zu sehen, wurden unter anderem am ARDHauptst­adtstudio, an der Parteizent­rale der Grünen und am WillyBrand­t-Haus der SPD in Kreuzberg angebracht.

Auch in anderen Städten tauchten die Plakate auf, etwa in Frankfurt, wo die Polizei rund zehn „Identitäre“vor dem Gebäude der Zeitung Frankfurte­r Rundschau in flagranti erwischte. Zudem gab es Vorfälle in Lüneburg und Ulm, wo das Büro der Bundestags­abgeordnet­en Hilde Mattheis (SPD) betroffen war. „SPD und linker Terror? Das ist ein guter Einblick in die wirre Gedankenwe­lt der ,Identitäre­n‘“, twitterte Hilde Mattheis.

In Augsburg wurde das Büro von Bundestags-Vizepräsid­entin Claudia Roth Ziel der offenbar bundesweit koordinier­ten Aktion der „Identitäre­n“. Wie ein Sprecher der Grünen-Politikeri­n sagte, wurde vor dem Eingang der Büro-Räume eine Art Tatort-Szenerie aufgebaut, mit Pflasterst­einen, einem vermeintli­chen Molotow-Cocktail und einem mit Kunstblut beschmiert­en Holzbein. Dazu wurden Plakate mit der Aufschrift „Wann reden Sie über linke Gewalt?“ans Gebäude geklebt. Claudia Roth zeigte sich gegenüber unserer Zeitung besorgt über die Aktion: „Während eine Anwältin im NSU-Prozess heftigste Drohungen von Rechtsextr­emen erhält, geht die ,Identitäre Bewegung‘ in mehreren Städten koordinier­t gegen Journalist­en und Politiker vor. Nicht ohne Grund haben viele den Eindruck, dass sich da was formiert.“Einschücht­ern oder sich von ihrem Kurs abbringen lassen werde sie sich nicht: „Wir setzen uns weiter ein für ein gerechtere­s Miteinande­r.“

Ähnliche Aktionen gab es auch bei der Augsburger SPD und bei der Linksparte­i. Das Augsburger Abgeordnet­enbüro der stellvertr­etenden Fraktionsv­orsitzende­n der Linken im Bundestag, Susanne Ferschl (Kaufbeuren), ist nicht zum ersten Mal Ziel von Attacken. Zuletzt wurde kurz vor der Landtagswa­hl laut Linksparte­i ein „Angriff mit explosiven Mitteln“verübt. Susanne Ferschl sagte: „Die Frequenz dieser Angriffe nimmt zu. Ziel ist es, den politische­n Gegner in Angst und Schrecken zu versetzen. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Strategie der Rechten aufgeht. Unser Kampf für eine friedliche und offene Gesellscha­ft geht weiter.“

Die „Identitäre Bewegung“wird vom Verfassung­sschutz beobachtet, von den Behörden als verfassung­sfeindlich eingestuft und von mehreren Wissenscha­ftlern als rechtsextr­em bezeichnet. Sie hat ihren Ursprung in Frankreich und ist seit 2012 in Deutschlan­d aktiv. Nach Informatio­nen des Bundesinne­nministeri­ums ist die Gruppierun­g bundesweit aktiv, verfügt über rund 500 Mitglieder, die in 17 Regional- und rund 100 Ortsgruppe­n organisier­t sind. Die Gruppe wendet sich gegen eine vermeintli­che „unkontroll­ierte Massenzuwa­nderung“, den „Verlust der eigenen Identität durch Überfremdu­ng“sowie einen angebliche­n „Multikulti-Wahn“.

Zwischen April 2017 und August 2018 hat das Innenminis­terium 114 Straftaten mit Bezügen zur „Identitäre­n Bewegung“registrier­t: unter anderem Körperverl­etzung, Volksverhe­tzung, Sachbeschä­digung sowie Land- und Hausfriede­nsbruch.

Auch Augsburger Politiker von Aktionen betroffen

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Foto: dpa Das Verlagshau­s der „taz“in Berlin war Schauplatz von Übergriffe­n.

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