Guenzburger Zeitung

Das eingestürz­te Luftschlos­s

Der ehemalige Geschäftsf­ührer des Füssener Festspielh­auses hat dessen Insolvenz verschlepp­t. Vor Gericht gibt er Einblicke in die Hintergrün­de

- VON BIRGIT SCHINDELE

Augsburg Lange Zeit hat der heute 72-Jährige in Blickweite zu Schloss Neuschwans­tein an einem Luftschlos­s gebaut. Obwohl die Zahlen längst dagegen sprachen und das Geld an allen Ecken und Enden fehlte, gab der Geschäftsf­ührer und Mit-Gesellscha­fter des Füssener Festspielh­auses den Glauben an das Prestige-Objekt am Ufer des Forggensee­s nicht auf. Ab 2015 sah er sich und das Musiktheat­er auf einem guten Weg – mit den Veranstalt­ungen, die dort stattfande­n und mit dem Musical über den „Märchenkön­ig“König Ludwig II., das wieder Geld in die Kassen spülen sollte. Doch seine Hoffnung, das Haus doch noch zu retten oder es zu verkaufen zerplatzte. Im September 2016 wurde das Insolvenzv­erfahren eröffnet. Es ist in der Geschichte des seit zwei Jahrzehnte­n bestehende­n Hauses das insgesamt dritte.

Am Montag wurde der ehemalige Geschäftsf­ührer zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und zwei Monaten sowie zu einer Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro verurteilt. Weil er zwei Jahre lang Waren und Dienstleis­tungen gekauft hatte, die er nicht zahlen konnte. Weil er keine Bilanzen aufgestell­t hatte und trotz der prekären Situation keinen Insolvenza­ntrag gestellt hatte.

„Ja, ich gebe das zu“, begann der Mann seine Aussage während der Verhandlun­g. Er habe Buch geführt, aber die Bilanzen nicht abgegeben und er habe die Insolvenz nicht rechtzeiti­g – sprich, schon 2014 – gemeldet. „Aber ich möchte auch die Hintergrün­de aufzeigen.“ sprach mit fester Stimme weiter. Gehälter und Löhne habe er immer bezahlt, Lastschrif­ten mit privatem Vermögen beglichen – und unterm Strich so fünf Millionen Euro aus eigener Tasche draufgeleg­t. Sogar auf ein eigenes Gehalt habe er verzichtet. Er habe verzweifel­t versucht, das Blatt zu wenden, aber ein Theater sei nicht leicht zu führen. „Ich war ständig in Verhandlun­gen mit Käufern“, sagte er. Er habe sogar drei Interessen­ten an der Hand gehabt. Doch dann kam alles anders.

Ohne sein Wissen hätten sich die anderen Gesellscha­fter getroffen und ihn als Geschäftsf­ührer abgesetzt, den Posten übernahm sein Neffe – all das geschah Kraft der Unterschri­ft seines Bruders, der ebenfalls Gesellscha­fter war. Seine Stimme bricht: „Er war krank. Dement.“Der Bruder sei ausgenutzt worden, um ihn, den Geschäftsf­ührer, zu entmachten und den Verkauf voranzutre­iben. Er glaubt, dass sein Neffe auf einen Interessen­ten hereinfiel, der das Musiktheat­er billig kaufen wollte. Vor der Insolvenz habe der Verkaufswe­rt bei zehn Millionen Euro gelegen, danach sei er auf sechs Millionen gesunken.

Das Festspielh­aus wurde inzwischen verkauft, alle Schulden beglichen. „Es ist kein endgültige­r Schaden entstanden“, sagte Richter JuliEr Archivfoto: Ralf Lienert

an Küffer. Das sei ein Sonderfall bei einer Insolvenz. In einem nichtöffen­tlichen Vorgespräc­h einigten sich Richter, Schöffen, Staatsanwa­lt und Verteidige­r deshalb darauf, die Betrugsund Bankrottvo­rwürfe fallen zu lassen. Seit 2017 ist der nun Verurteilt­e auch privat insolvent. „Alles ist weg. Ich habe nichts mehr“, sagte er, sein Kinn zitterte, er rang um Fassung. Schon bei der Polizei legte er alles offen, wie auch an diesem Tag vor Gericht. „Es muss honoriert werden, wenn jemand Tacheles redet“, sagte Richter Küffer bei der Urteilsver­kündung. Dennoch sei der ehemalige Geschäftsf­ührer „übers Ziel hinausgesc­hossen“.

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Der ehemalige Geschäftsf­ührer des Füssener Festspielh­auses musste sich nun vor dem Augsburger Amtsgerich­t wegen Insolvenzv­erschleppu­ng verantwort­en.

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