Guenzburger Zeitung

„Die Enttäuschu­ng überwiegt“

Nach dem Dämpfer beim 22:22 gegen Russland trifft die deutsche Mannschaft heute Abend auf Weltmeiste­r Frankreich. Eine Niederlage könnte den Einzug ins Halbfinale gefährden

- VON ARNE WOHLFARTH

Berlin Auf einmal war das Tollhaus ganz still. Als wenn jemand den Stecker gezogen hätte. Die deutschen Handballer haben bei der HeimWM_am Montagaben­d in der abermals ausverkauf­ten Berliner Arena den ersten Dämpfer erlitten und sind gegen Russland nicht über ein 22:22 (12:10) hinausgeko­mmen.

Für das Spiel an diesem Dienstag (20.30 Uhr/ZDF)_gegen Frankreich heißt das, dass die deutsche Mannschaft punkten muss, wenn sie nicht schon früh in eine fast aussichtsl­ose Position im Kampf um das Halbfinale kommen will. Doch dafür muss sie sich steigern. „Wir haben am Ende keine Lösungen mehr im Angriff gefunden“, ärgerte sich Patrick Wiencek und seufzte: „Kurz vor Schluss haben wir noch mit drei Toren geführt. Das ist enorm bitter.“

Tatsächlic­h hatte der Europameis­ter von 2016 trotz einer bestenfall­s durchschni­ttlichen Angriffsle­istung alle Trümpfe in der Hand. Nachdem der achtfache Torschütze Uwe Gensheimer per Siebenmete­r das 20:17 (52.) erzielt hatte, war der starke Steffen Weinhold völlig frei, probierte es aber mit einem Heber und scheiterte an Russlands Torhü- ter Victor Kireev. „Wir haben den Sack nicht zugemacht“, ärgerte sich Weinhold. Es war beileibe nicht der einzige Fehler in einer hektischen Schlusspha­se. Von der extrem offensiv interpreti­erten 3-2-1-Abwehr der Gäste ließ sich die Auswahl des Deutschen Handball-Bundes arg verunsiche­rn. Beim Stand von 21:20 spielte Paul Drux den Ball ohne Bedrängnis in die Arme von Dmitri Zhitnikov, der die Einladung annahm und in der 59. Minute zum Ausgleich traf. „Das Ding geht natürlich auf meine Kappe“, erklärte Drux und zuckte mit den Schultern: „So ist eben der Sport.“

Am Samstag noch wurden die Gastgeber nach der furiosen Leistung gegen Brasilien gefeiert, dieses Mal schlichen sie mit gesenkten Köpfen vom Feld. Denn nach dem viel umjubelten 22:21 durch eine feine Einzelleis­tung von Fabian Böhm war es der erst 19-jährige Sergei Kosorotov, der neun Sekunden vor dem Ende aus dem Rückraum zum 22:22-Endstand traf.

„Heute dürfen wir uns ärgern. Es überwiegt die Enttäuschu­ng. Das Schöne an diesem Turnier ist, dass wir es binnen 24 Stunden besser machen können mit dem tollen Publikum“, wollte sich Bundestrai­ner Christian Prokop nicht so lange mit dem Russland-Spiel aufhalten. „Wir lassen uns das bisher Erreichte auch nicht kaputtrede­n.“

Auffallend war aber doch, welch Probleme die deutsche Mannschaft im Angriff hatte. Gegen die offensive Deckung kam Steffen Fäth nicht zurecht. Der Auftritt von Regisseur Martin Strobel war schlicht zu fehlerbeha­ftet. Fabian Wiede, als Alternativ­e auf Rückraum Mitte eingeplant, saß lange auf der Bank. Und dazu rächte sich die schwache Chancenver­wertung, die schon in den beiden ersten Partien auffällig war. Deswegen verpasste es das deutsche Team, sich nach zwei Vier-Tore-Führungen (15:11, 35./ 16:12, 38.) entscheide­nd abzusetzen.

Und weil Russland mit Linksaußen Timur Dibirov einen grandiosen Künstler in der Mannschaft hat, der hinten als vorgezogen­er Deckungssp­ieler Verwirrung stiftete und vorne aus teilweise spitzem Winkel traf, war es am Ende still im Tollhaus. „Ein Schockmome­nt“, wie Hendrik Pekeler befand.

Heinevette­r (Berlin), Wolff (Kiel) – Gensheimer (Paris-St. Germain) 8/4, Weinhold (Kiel) 3, Böhm (TSV Hannover-Burgdorf) 2, Drux (Füchse Berlin) 2, Groetzki (Rhein-Neckar Löwen) 2, Pekeler (Kiel) 2, Fäth (Rhein-Neckar-Löwen) 1, Kohlbacher (Rhein-Neckar-Löwen) 1, Strobel (Balingen-Weilstette­n) 1, F. Lemke (MT Melsungen), Musche (Magdeburg), Semper (Leipzig), Wiede (Berlin), Wiencek (Kiel)

13500 (ausverkauf­t)

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Foto: Soeren Stache, dpa Mit acht Treffern war Uwe Gensheimer erfolgreic­hster deutscher Torschütze beim 22:22 gegen Russland: Aber reine Freude sieht anders aus.

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