Die Angehörigen fragen nach dem Warum
Die Stiefsöhne des 68-Jährigen, der bei einem Unfall bei Hirschfelden ums Leben gekommen ist, setzen sich für eine Sicherung des Bahnübergangs ein. Sie sind der Meinung, dass das Unglück zu verhindern gewesen wäre
Hirschfelden Der Bahnübergang wirkt unscheinbar. Ein Andreaskreuz neben der Straße; ein kleines Wartehäuschen, an dem manche der Züge halten. An den Gleisen das Schild mit der Aufschrift „Hirschfelden“. Nur wer genauer hinsieht, entdeckt Spuren des schrecklichen Unfalls, der sich dort vor einigen Tagen ereignet hat (wir berichteten). Einige Glassplitter liegen im Schotterbett neben den Gleisen. Und auf dem Bahnsteig steht eine Kerze neben einem Strauß weißer Rosen. Die Angehörigen von Ewald Przygoda haben sie dort abgelegt. Vor einer Woche starb der 68-Jährige an dem Bahnübergang. Sein Auto wurde von einem vorbeifahrenden Zug erfasst und 40 Meter weit mitgeschleift. Der Mann starb noch an der Unfallstelle.
Nun stehen seine drei Stiefsöhne an eben diesem Ort und blicken betreten auf die Gleise. Sie teilen die Meinung, dass an diesem Bahnübergang etwas geschehen muss. Damit sich ein solch schrecklicher Unfall nicht wiederholt. Jürgen Gundel wurde von seinem Stiefvater großgezogen. Wenn er spricht, hört man ihm deutlich seine Trauer an. Doch er zeigt auch den Willen, dass sich etwas verändert: „Der Bahnübergang muss sicherer werden. Täglich fahren zahlreiche Leute darüber, auch Kinder müssen ihn überqueren.“Der Übergang ist minimalistisch ausgestattet. Ein Andreaskreuz prangt neben der Straße. Sonstige Warnsignale sucht man vergeblich. Keine Schranke, kein Signallicht. Einmal hupt der Zug, bevor er die
Straße kreuzt – bei schlechter Sicht ist das die einzige Warnung, die ein Autofahrer erhält. Gundel vermutet, dass eben diese schlechte Sicht ein Grund für den tödlichen Unfall seines Stiefvaters war. Am Montagvormittag war es in vielen Teilen der Region nebelig, die Sichtweite betrug teils weniger als 50 Meter. So wurde es Gundel auch von dem Notarzt geschildert, der als erstes an der Unfallstelle ankam: „Er hat mir erzählt, dass er den Unfallort erst gesehen hat, als er ein paar Meter weit davorstand“, sagt Gundel.
Die Stiefsöhne des Verstorbenen stellten sich immer wieder die Fra-
ge, warum Ewald Przygoda den Zug nicht wahrgenommen hat. Sie beobachteten einige Tage später, wie gewarnt wird, wenn der Zug die Straße kreuzt. „Etwa 15 Sekunden bevor der Zug über die Fahrbahn fährt, wird einmal gehupt.“In diesen 15 Sekunden ist ein Autofahrer womöglich noch so weit weg, dass er das Geräusch überhaupt nicht hört. Zusammen mit seinem Bruder Stefan Thoma stellte er sich mit seinem Auto auf einen Feldweg, der rund 80 Meter vom Bahnübergang entfernt ist: „Wir hatten die Lüftung auf normaler Stärke laufen, auch das Radio war nicht lauter, als es üblich
ist. Und wir konnten das Hupen beide nicht hören“, sagt der 35-jährige Jürgen Gundel.
Ein weiteres Problem sieht er in einem Baum, der die Sicht auf die Gleise verdeckt. Der Nadelbaum steht auf der östlichen Seite der Schienen, rund 20 Meter vom Bahnübergang entfernt. Auch bei guten Wetterverhältnissen ist die Sicht auf die Bahnstrecke dadurch von der Straße aus eingeschränkt. „Das gilt nicht nur für die Autofahrer. Auch ein Zugführer sieht dadurch schlechter auf die Straße“, ergänzt Markus Gundel, der dritte Stiefsohn des Verstorbenen. Jürgen Gundel hat bereits mit Krumbachs Bürgermeister Hubert Fischer über den Bahnübergang gesprochen. „Fischer sagt, ihm seien bei Themen wie einer Lichtanlage die Hände gebunden, da solche Entscheidungen bei der Bahn liegen. Den Baum will er fällen lassen, wenn er denn auf Stadtgebiet steht“, sagt Gundel. Notfalls wird der 35-Jährige den Baum selbst zu Fall bringen, wie er sagt: „Danach würde ich mich selbst anzeigen. Die 500 oder 1000 Euro Strafe wären es mir wert, damit die Stelle sicherer wird.“
Den Angehörigen des Verstorbenen geht es darum, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt. Alleine am vergangenen Montag, an dem der 68-Jährige bei Hirschfelden starb, ereigneten sich in Bayern zwei weitere Unfälle zwischen Zügen und Autos, eine weitere Person starb dabei. Jürgen Gundel findet es unverantwortlich, dass regelmäßig befahrene Bahnübergänge zum Teil nicht einmal eine Lichtanlage haben.
Bei Nachforschungen im Internet über dieses Thema ist er auf einen Beitrag über einen Bahnübergang bei der niedersächsischen Gemeinde Handeloh gestoßen. Dort hat die Deutsche Bahn einen Bahnübergang für rund 600000 Euro aufwendig gesichert – obwohl dieser in einem Wald liegt, in dem keine Autos fahren dürfen. Jürgen Gundel schüttelt ungläubig den Kopf, als er davon erzählt. „Ich bin selbst Vater von drei Kindern. Und ich habe Angst, dass wieder so etwas passiert“, sagt er. Der 35-Jährige hofft, dass er zumindest dafür sorgen kann, dass sich an dieser Stelle nie wieder ein derartiger Unfall ereignet.