„Wir wollen Deutsche sein, nicht Weltbürger!“
Ernst Kreneks „Karl V.“ist eine Warnung und eine Parabel: Nationalismus bringt uns nicht weiter
München Eine Oper als Schmerzenskind: Vom Dirigenten Clemens Krauss um 1930 initiiert, schrieb Ernst Krenek seinen „Karl V.“– die erste vollständige Zwölftonoper der Musikgeschichte. Aber zur Wiener Uraufführung 1934 kam es nicht; Krauss entzog aus politisch-opportunistischen Gründen kurz zuvor seine Unterstützung, er suchte seine Verpflichtung in der Hauptstadt des Nationalsozialismus. Und nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das Interesse, den in die USA ausgewanderten Krenek und sein Werk „heimzuholen“, weitgehend aus – ganz abgesehen davon, dass er bei gelegentlichen europäischen Aufführungen mit dem sogenannten Regietheater haderte – oder hadern musste: Dass die Darmstädter Aufführung 1978 den auftretenden Luther und die deutschen Mannen als Nazis zeigte, war gewiss mehr als heikel – selbst wenn diese nationale Töne anschlagen: „Wir wollen Deutsche sein, nicht Weltbürger!“
Damit sind wir im Zentrum dessen angelangt, was Krenek zu dieser parabelhaften Oper trieb: Warnen wollte er zuallererst vor den national-konservativen, christlichen Tendenzen Österreichs zu Beginn der 30er-Jahre – und zwar vor der Folie des Lebens von Kaiser Karl V., der einst das katholische Universalreich weltweit anstrebte, aber gegen Ende seines Lebens das Scheitern dieses Strebens erleben musste. Und von diesem Ende seines Lebens im spanischen Kloster San Geromino de Yuste berichtet nun die Oper: Unter Rückblenden auf Schlüsselentscheidungen sieht sich Karl V. angehalten, Rechenschaft abzulegen über sein Tun und Handeln – etwa gegenüber Luther, Frankreichs König Franz I., Papst Clemens VII. Jeweils Aktionen, die – im Nachhinein betrachtet – das erhoffte Universalreich nicht beförderten, vielmehr Brüche erzeugten.
Dass dieser Karl V. auch heute noch eine Parabel sein kann – und zwar auf mögliche Konsequenzen aus der Uneinigkeit der europäischen Staaten –, dies wird im Werk deutlich, wenn Sultan Soliman gegen Schluss das Wort ergreift: „Es ist des Kaisers Stern, der verlischt! Die Völker Europas sind frei, und diese Freiheit werden sie benützen, einander noch gründlicher die Hälse abzuschneiden. Der Asiaten Dank ist ihnen gewiss!“
Nun hat die Staatsoper München „Karl V.“reaktiviert – jedoch das Parabelhafte des Werks nicht inszeniert über das gesprochene/gesungene Wort hinaus. Vielmehr haben Regisseur Carlus Padrissa und die Akrobaten-Truppe La Fura dels Baus eine gewiss bildgewaltige Spiegelkabinettund Wasserbassin-Szene auf die Bühne gebracht, die aber bei aller eindrucksvollen KunstPerformance eher unbestimmt bleibt. Die Parabel verharrt stark in der Individual-Tragödie Karls V.
Doch Kreneks Musik, sie wird vom Staatsorchester unter Erik Nielsen entfesselt: Wie einfühlsam, glühend, ja auratisch Dodekafonie erklingen kann, dies machte die Größe des Abends aus – kulminierend im Vorspiel zum zweiten Teil. Und der Bariton Bo Skovhus gab in glanzvoller Premierenleistung einen Karl V. – zerrissen in seiner Lebensbilanz, hier aufbegehrend, dort demütig. Welche Charakterdarstellung, welches Profil!
OWieder am 13., 16., 21., 23. Februar