Schüler müssen keine Sanktionen befürchten
Mehr als 300 Mädchen und Buben haben an der Protestbewegung „Fridays for Future“in Günzburg teilgenommen. Warum die betroffenen Schulleiter von Strafen absehen und jetzt sogar Größeres vorhaben
Günzburg/Wettenhausen Mehr als 300 Schüler von Maria-Ward-Gymnasium und -Realschule, Dossenberger Gymnasium und Dominikus-Zimmermann-Realschule aus Günzburg sowie aus dem St.-Thomas-Gymnasium Wettenhausen haben am vergangenen Freitagvormittag für mehr Klimaschutz demonstriert (wir berichteten). Die Sorge so mancher Schüler, aufgrund der verpassten Unterrichtszeit einen Verweis zu kassieren oder gar von der Schule zu fliegen, bewahrheitete sich nicht. Die betroffenen Schulleiter teilten auf Anfrage unserer Zeitung mit, dass die Schüler keine Sanktionen befürchten müssen. Christian Hörtrich, Schulleiter von Maria-Ward-Gymnasium und -Realschule, betonte: „Wir haben nie von Strafe geredet, nur davon, dass es eine Reaktion geben wird.“So soll die Demonstration positiv genutzt werden und Anstoß für weitere, schulübergreifende Klimaschutzprojekte sein. Bis zur Demonstration am 15. März, die weltweit stattfindet, sollen erste Schritte in die Tat umgesetzt werden.
„Fridays for Future“(„Freitage für die Zukunft“) ist eine weltweite Schüler- und Studentenbewegung, die sich für den Klimaschutz einsetzt. Schüler gehen an den Freitagen stundenweise bewusst nicht in die Schule und nehmen dafür an der Demonstration teil. Mit der 16 Jahre alten schwedischen Schülerin Greta Thunberg nahm die Schülerdemo ihren Anfang. Seit August bestreikt sie ihre Schule – zunächst täglich, dann jeden Freitag. Immer mehr schlossen sich diesem Protest an, der den Klimaschutz in den Mittelpunkt stellt. Am Freitag organisierten erstmals auch Schüler aus dem Landkreis Günzburg eine Protestaktion.
● Maria-Ward-Gymnasium und -Realschule Initiiert haben die Demonstration in Günzburg drei MariaWard-Gymnasiastinnen. Etwa 120 ihrer Mitschüler und 60 Realschüler sind ihrem Aufruf am Freitag gefolgt. Wie Schulleiter Christian Hörtrich sagt, sei das Ansinnen der Mädchen im Vorfeld pädagogisch unterstützt worden. Ein Lehrer habe die Schüler sogar selbst begleiten wollen, dies sei jedoch unmöglich. Allen Demonstranten sei klar gemacht worden, dass es sich um „unentschuldigtes Fehlen“handle, was nicht ohne Konsequenzen bleiben dürfe. Die Schule könne ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen. Alle Eltern seien auch darüber informiert worden. Hörtrich selbst findet es gut, dass die Jugendlichen „politisches Bewusstsein zeigen“. Schließlich liege der Einrichtung viel daran, die Mädchen und Buben zu mündigen Kindern heranzuziehen. „Jetzt haben sie es mal selbst in die Hand genommen und bewusst den Zeitpunkt der Demo auf den Unterricht gelegt, um wachzurütteln“, lobt Hörtrich. Er wolle deshalb auch niemanden bestrafen, zumal das Thema Klima an der Schule groß geschrieben werde. Hörtrich will den Effekt der Demonstration sinnvoll nutzen. Aus diesem Grund hat er gleich am Montag eine Pausenkonferenz an beiden Schulen einberufen und den Schülern ein Projekt vorgestellt. In Anlehnung an christliche Fasten nach der Faschingszeit schwebt ihm ein sogenanntes Klimafasten vor. Sieben Wochen lang soll jede Woche ein neues Thema aktiv mitgelebt werden, sei es Energie zu sparen, auf fairen Konsum zu achten oder umweltfreundliche Verkehrsmittel zu wählen. „Damit wollen wir niemandem etwas überstülpen, es hat nichts mit Strafe zu tun, sondern wir tun etwas aktiv als Schule für den Klimaschutz“, so Hörtrich. Sein Vorschlag sei gut angekommen, ein erstes Treffen, um das Projekt zum Laufen zu bringen, soll bereits am Freitag stattfinden.
● Dominikus-Zimmermann-Realschule Dem Projekt der MariaWard-Schulen schließt sich auch die Dominikus-Zimmermann-Realschule an. Wie Schulleiterin Roswitha Schön erklärt, habe der Ministerialbeauftragte dazu geraten, dass sich die Schulen untereinander kurzschließen und möglichst homogen reagieren sollten. Per se hätten die Schüler das Recht zu demonstrieren, jedoch nicht während der Unterrichtszeit. Wie eine Schule zu reagieren habe, sei strikt geregelt. „Theoretisch müssen staatliche Schulen bei unentschuldigtem Fehlen einen Verweis erteilen“, betont Roswitha Schön. 23 Schüler der zehnten Klassen haben sich laut der Schulleiterin entschlossen, zu demonstrieren, und hätten dadurch den Unterricht gehörig durcheinandergewirbelt. Da das Anliegen der Schüler aber ein gutes gewesen sei, sollten sie nicht „brachial bestraft“werden. Sie mussten zum einen den verpassten Unterrichtsstoff in Form von Hausaufgaben nacharbeiten. Zum anderen möchte die Schulleiterin gerne erreichen, dass die Schüler, die für den Klimaschutz auf die Straße gehen, diesen auch persönlich vorleben. „Nur Plakate hochzuhalten, damit ist es nicht getan“, findet Schön. Getreu dem Motto „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, soll sich jetzt die Schülermitverantwortung (SMV), die Vertretung der Kinder und Jugendlichen, Gedanken über ein Projekt machen. Die Eltern werden Schön zufolge ebendas falls noch informiert. Sollten die Schüler übrigens ein zweites Mal während der Unterrichtszeit demonstrieren, kommen sie um einen Verweis nicht herum. „Der Pflichtunterricht hat Vorrang. Die Zehntklässler haben im Juni ihre Abschlussprüfungen. Das muss allen klar sein“, betont die Schulleiterin.
● Dossenberger-Gymnasium Schulleiter Peter Lang schätzt, dass sich um die 100 Schüler ab der neunten Klasse aufwärts an der Demonstration beteiligt haben. Bereits im Vorfeld sei mit allen abgesprochen worden, dass die fehlende Unterrichtszeit – etwa zwei Schulstunden – „wieder reingearbeitet werden muss“. Dies soll in Form eines Projektnachmittags in der schulfreien Zeit geschehen. Wie Peter Lang erklärt, müssen die Schüler diesen selbst organisieren und Ziele erarbeiten, wie der Klimaschutz vor Ort gestärkt werden kann. Für Lang hat dies einen deutlich nachhaltigeren Effekt als ein kurzzeitiger Streik, da die Schüler selbst aktiv werden müssen. Generell habe er nichts gegen eine Demonstration für Klimaschutz, sinnvoller sei es aber, diese außerhalb der Schulzeit zu organisieren.
● St.-Thomas-Gymnasium Wettenhausen Lediglich zehn Schüler nahmen den Weg von Wettenhausen zur Demonstration in die Große Kreisstadt auf sich. Vielleicht schreckte die anderen das Gerücht ab, dass bei der Teilnahme an der Demonstration der Schulvertrag gekündigt werden könnte. Schulleiter Andreas Eberle betonte jedoch auf Nachfrage, dass es „nach gegenwärtigem Stand keine Konsequenzen“gibt. Er führe jedoch Einzelgespräche und treffe Einzelentscheidungen. Inhaltlich könne er die Aktion „voll und ganz“unterstützen. „Die Bewahrung der Schöpfung ist gerade uns als katholischer Einrichtung ein ganz wichtiges Anliegen.“Dies müsse jedoch unbedingt jenseits von Parteipolitik erfolgen. Er würde sich wünschen, dass sich seine Schule noch vor der nächsten Klimaschutz-Aktion im März positioniert und eine gemeinsame Aktion, angeführt von der Oberstufe, auf die Beine stellt. Der Elternbeirat soll auch ins Boot genommen werden.