Jettingens Fasching lebt doch noch
Nachdem die Burkhardia alle Veranstaltungen in dieser Saison abgesagt hat, springt jetzt ein Brüder-Duo ein. Was Florian und Felix Reichhardt für den 2. März und vielleicht sogar darüber hinaus geplant haben
Jettingen-Scheppach Keine Prunksitzung, keine Fahnenübergabe und kein Umzug am Faschingsdienstag: In Jettingen-Scheppach fällt heuer die komplette Faschingssaison aus, da der Fasnachtsverein Burkhardia keine Veranstaltungen organisiert (wir berichteten). Gar kein Fasching in der Marktgemeinde? Ein Brüderpaar will das so nicht hinnehmen und springt jetzt in die Bresche. Florian und Felix Reichhardt öffnen einmalig am 2. März den alten Gasthof Adler und organisieren einen Faschingsball mit Rahmenprogramm. „Wir wollen beweisen, dass Jettingen im Fasching nicht tot ist“, sagt Florian Reichhardt im Gespräch mit unserer Zeitung.
Wer im Jettinger Fasching regelmäßig unterwegs war, für den sind die Reichhardt-Brüder keine Unbekannten. Seit 2016 haben die zwei den sonst geschlossenen Adler am Faschingsdienstag nach dem Umzug für den Kehraus geöffnet. Der alte Gasthof gehörte einst ihrer Oma und ihrem Opa. Als das Paar 1998 aufhörte, übernahm Reichhardts Tante Rita Kraus, öffnete die Räume an der Ecke Hauptstraße/Weberstraße aber nur noch an drei Tagen in der Woche. 2016 war dann ganz Schluss.
Um wenigstens eine kleine Tradition zu bewahren, erklärten sich Florian und Felix Reichhardt bereit, wenigstens am Faschingsdienstag den Adler zu öffnen. „Aus Spaß und Freude, ohne Gedanke an Kommerz“, betont Florian Reichhardt.
Der 32-Jährige und sein drei Jahre jüngerer Bruder änderten dafür allerdings ein paar Details. Da ihn selbst der Kölner Karneval geprägt hat und er begeistert von den kleinen Kölsch-Gläsern war, führte er ebendiese 0,2-Liter-Behältnisse in Jettingen-Scheppach ein. Um das Bier standesgemäß wie in der Domstadt an die Tische zu bringen, baute er eigens Bierkränze, in denen jeweils neun Gläser Platz haben. Zum „Bier im Fingerhütchen“, wie in Bayern gerne über die Rheinländer gespottet wird, servierte sein Bruder, der die Rolle des Küchenchefs übernahm, ein einziges Tagesgericht: Riesenschnitzel mit Kartoffelsalat. Für die Organisation wurde die gesamte Familie eingespannt. Die Mutter musste kochen, Vater Hans Reichhardt, dem das Gebäude gehört und der für die Freien Wähler im Marktgemeinderat sitzt, musste ausschenken und sorgte für die Dekoration im Saal, an die er als Mitglied der privaten Jettinger Faschingsfreunde leichter herankommt.
Die Kehraus-Aktionen kamen Reichhardt zufolge bei den Faschingsanhängern immer gut an, „es war ein Selbstläufer“. Eigentlich hatten die Reichhardt-Brüder vorgehabt, diese Tradition auch heuer fortzuführen. Weil aber die komplette Faschingssaison abgeblasen ist, würde eine Veranstaltung am umzugsfreien Faschingsdienstag keinen Sinn ergeben. Also schwenkte das Duo um und geht mit einem
Faschingsball neue Wege. Und das, obwohl Organisation und Durchführung deutlich aufwendiger sind und die Brüder die meiste Zeit gar nicht in der Heimat weilen. Während Florian Reichhardt für die Firma BWF von Offingen nach Villach/ Österreich gewechselt ist, arbeitet Bruder Felix in der Oberpfalz. Trotzdem haben sich die Brüder das Projekt auf die Fahnen geschrieben und werden tatkräftig von Familie und Freunden unterstützt. „Es ist unser Hobby, es macht uns Spaß und wir freuen uns, wenn Leute kommen. Das ist unsere einzige Intention“, sagt Florian Reichhardt und rührt bereits im sozialen Netzwerk Facebook die Werbetrommel. Seit Dienstag hängt nun auch außen am Gasthof ein großes Werbebanner. Die etwa 50 Sitzplätze sind schon jetzt fast ausgebucht.
Ein Motto für den Faschingsball am Samstag, 2. März, gibt es nicht. Der Eintritt ist frei, ab 18 Uhr werden die Klassiker Schnitzel und Bier im Kölsch-Glas und ein kleines Rahmenprogramm serviert. Zwischen den zwei Auftritten der Männerballette aus Freihalden (21 Uhr) und Oberwaldbach (23 Uhr), die auf eine Gage verzichten und sich mit einem Essen bezahlen lassen, ist ein Gitarrensolo von Felix Reichhardt eingeplant. Vielleicht kommt noch eine Scheppacher Gruppe hinzu, eine Frauengruppe hatte aus Platzgründen abgesagt. „Wir haben bewusst versucht, die verschiedenen Orte einzubinden, damit der Ball einen Dorffestcharakter hat“, erklärt der 32-Jährige.
Er ist selbst gespannt, was am 2. März auf ihn und seinen Bruder zukommt. Allzu viel Platz ist in Haupt- und Nebenraum des Gasthofs nicht. Tische und Stühle könnten zu späterer Stunde beiseite geräumt werden. Sollten zu viele Gäste hereindrängen, gebe es schon einen Plan B, und irgendwann müsse Einhalt geboten werden. „Aber das wäre ein schönes Problem“, findet Florian Reichhardt. Für ihn und Felix ist es ein Test, ob eine derartige Veranstaltung im alten Gasthof Adler überhaupt bei der Bevölkerung ankommt. Sollte die Zustimmung groß sein, denken die Reichhardts nicht nur über eine Neuauflage im nächsten Jahr nach – dann vielleicht im größeren Stil –, sondern sogar über einen Umbau im Zuge der Stadtsanierung.
Dass der Gasthof Adler, der seit den 70er Jahren im Innenbereich nicht mehr renoviert wurde, vielen Jettingern am Herzen liegt, hatte sich im vergangenen Herbst bei einer Projektwerkstatt herauskristallisiert. Bei der Veranstaltung hatten Bürger ihre Vorschläge zur Umgestaltung des Ortes vorgebracht, die Städteplaner hatten dann die Idee aufgegriffen, dass beim Adler eine kulturelle und gastronomische Nutzung ermöglicht werden könnte. Die Familie Reichhardt wäre dafür aufgeschlossen und bereit, einen Dialog mit der Bevölkerung zu starten, um herauszufinden, was gewünscht ist. „Sollte aber schon im Fasching niemand kommen, brauchen wir später keinen Cent investieren“, sagt Florian Reichhardt.
„Es ist unser Hobby, es macht uns Spaß und wir freuen uns, wenn Leute kommen. Das ist unsere einzige Intention.“Florian Reichhardt