Das zweite Mal
Wie oft gibt es das Gelübde des zweiten Mals! Ein Buch gelesen, fasziniert davon gewesen – und beschlossen: Das lese ich irgendwann noch einmal! In einer großartigen Stadt gewesen und im Abschiedsschmerz geschworen: Ich komme wieder! Natürlich gilt dieses Selbstversprechen des zweiten Mals auch fürs Kino, dort ganz besonders. Wie oft hat man sich selbst sagen hören, ja schwören hören: Den schau’ ich mir noch mal an!
Da aber auch Kinogänger nur ein Leben haben, wird es meistens nichts mit dem zweiten Mal. Denn dann sind ja so viele neue, unbekannte Filme da, und die zu sehen ist meistens dringlicher als einen, den man ja schon gesehen hat, ein weiteres Mal ins Auge zu fassen. Doch manchmal werden Schwüre eben doch wahr – und du sitzt im Saal als ein Wiedergänger. Es müssen natürlich auch die Kinos mitspielen und einen Film, der längst aus dem Programm ist, wieder zeigen. So geschehen jetzt mit „Gundermann“von Andreas Dresen.
Weil der Film – und das gibt den Glauben an Jury-Entscheidungen zurück – beim Deutschen Filmpreis mit sechs Lolas triumphiert hat, kommt er sonntags um 14 Uhr genau ein Mal wieder. Jetzt oder nie! Das Wiedersehen mit dem grandiosen Alexander Scheer als DDRLiedermacher Gundermann ist bewegend. Das Kino ist voll. Nachher gibt es Erkenntnisse, das zweite Mal betreffend. Weil man nach dem ersten Mal Gundermann-Platten besorgt und viel gehört hatte, war der Film im Kopf immer stärker mit den Liedern und der Liebesgeschichte, dem bildstarken DDRSetting verbunden. Die Stasi-Tragik und ihre Verdrängung, diese ganz gewöhnliche Niederträchtigkeit des liebenswerten Gundermann geriet in den Hintergrund, um beim zweiten Mal mit umso größerer Wucht zu wirken. Bleibt die Frage: Wie wäre „Gundermann“, ein drittes Mal? Mal sehen…