Sparer werden für Banken zur Last
Auf einen Schlag hat die Stadtsparkasse München 28000 Verträge gelöst. In der Region sagen einige Sparkassen, dass sie nicht umhinkommen, das Gleiche zu tun. Erheben sie auch Strafzinsen auf Privatvermögen?
Augsburg Alle Sparer, die auf klassische Anlagen vertrauen, haben am Donnerstag vermutlich aufgehorcht: Die Stadtsparkasse München hat auf einen Schlag 28000 Prämiensparverträge gekündigt. Der Grund: Wegen der Strafzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) sind die Sparer für das Kreditinstitut zu teuer geworden. Denn Banken können ihr überschüssiges Geld nicht mehr gut verzinst bei der Zentralbank parken. Stattdessen müssen sie dafür bezahlen, und zwar immer mehr. Erst kürzlich hob EZB-Präsident Mario Draghi den Strafzins auf 0,5 Prozent an. Die Folge: Die Stadtsparkasse München will die Last loswerden. Und das ist rechtlich zulässig. Erst im Mai entschied der Bundesgerichtshof, dass langjährige Prämiensparer die Kündigung hinnehmen müssen, wenn die einmal vereinbarte Bonusstaffel ausgeschöpft ist. Denn die Verträge haben zwar keine Laufzeit, die Zinsen steigen aber 15 Jahre lang an, bis sie eine Höchstverzinsung erreichen. Genau das machte das Modell für Sparer auch so attraktiv.
Bei der Stadtsparkasse München kommt noch ein weiterer kritischer Punkt hinzu. Das Geldhaus behält sich vor, von Neukunden, die mehr als 100000 Euro Privatvermögen bei ihm anlegen möchten, Strafzinsen zu verlangen. Wer das alles hört, fragt sich zu Recht: Ist München Ausnahme oder ein Vorreiter? Ziehen bald andere Sparkassen oder Genossenschaftsbanken nach?
Eine Recherche in der Region zeigt: Auch hiesige Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zu kämpfen. Auch sie denken darüber nach, Prämiensparverträge zu kündigen. So teilt etwa die Sparkasse Allgäu auf Anfrage mit: „Wir sprechen derzeit mit unseren Kunden über Alternativen zum Prämiensparen. Aber auch wir kommen nicht umhin, die Verträge zu kündigen.“Ähnliches ist von der Stadtsparkasse Augsburg zu hören: „Wir prüfen derzeit diese Möglichkeiten“, heißt es. Die Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim verfährt ebenso. Daniel Gastl, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Günzburg-Krumbach sagt dagegen: Momentan plane sein Haus nicht, Altverträge zu kündigen. „Ich kann aber nicht ausschließen, dass wir es in Zukunft nicht prüfen.“Und dann schiebt er noch etwas Wichtiges hinterher: „Die Zinssätze vieler Sparverträge liegen derzeit unter der Inflationsrate.“Das heißt: Wer sein Geld dort anlege, verliere sogar. „Bevor ich einen Vertrag kündigen würde, würde ich jeden Kunden sehr genau über die Alternativen – zum Beispiel Wertpapiere – beraten. Denn Vertrauen ist das höchste Gut“, sagt Gastl. Er sieht die Aufgabe einer Bank darin, den Kunden in Zeiten von Niedrigzinsen gut zu beeine raten – und ein Sparvertrag sei nicht die beste Wahl.
Und wie sieht es bei den VR-Banken aus? Auch dort heißt es: Ja, die Zinspolitik der EZB spüre man deutlich. „Aber wir haben überhaupt nichts Vergleichbares mit den Sparverträgen im Programm“, sagt Georg Schneider, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Handels- und Gewerbebank mit Sitz in Gersthofen. Genauso antwortet ein Sprecher der VR-Bank Neu-Ulm. Es kann also nichts gekündigt werden.
Bleibt noch die Frage, ob sich die Kreditinstitute in der Region vorstellen könnten, Strafzinsen von Sparern mit größeren Vermögen zu verlangen. Das weisen noch alle angefragten Institute von sich – zumindest für Privatkunden. Sie sagen aber alle auch: Man müsse den Markt beobachten. Denn sobald ein Mitbewerber Strafzinsen einführe, könnten sich die anderen fast nicht mehr anders verhalten. Der Grund: Kunden würden ihr Geld dorthin bringen, wo sie nichts bezahlen müssen. Nur die Bank kann es sich eben wegen der Strafzinsen der EZB auch nicht leisten, zu große Einlagen anzuhäufen. Also müsste auch sie die Negativzinsen weitergeben. Bisher ist das allerdings in der Region nur Theorie.