Eine Bank für alle Fälle
Ohne die Biergarnitur wäre die Wiesn kaum denkbar. Das Möbelstück wurde von der Illertisser Firma Ruku erfunden
Illertissen Die Bierzelte auf der Münchner Theresienwiese sind voll: Dort drängen sich derzeit Einheimische und Touristen in Feierlaune. Genau das Gegenteil ist dieser Tage in der Illertisser Firma Ruku Event zu beobachten. Fast ein bisschen ausgestorben wirkt es dort, wo sonst fleißig gearbeitet wird. Man begegnet nur vereinzelt einem Angestellten. Der Grund dafür ist ebenfalls das Oktoberfest in München.
Nein, die Illertisser Ruku-Mitarbeiter machen keinen zweiwöchigen Betriebsausflug auf die Wiesn. Aber nachdem in den vergangenen Monaten bei Ruku Hochbetrieb herrschte, ist jetzt Ruhe eingekehrt. Denn auch in Illertissen wurde fleißig auf Deutschlands größtes Volksfest hingearbeitet: Denn die Mitarbeiter stellen etwas her, ohne das viele Feste gar nicht denkbar wären: die Biergarnitur.
1951 wurde das Klappmöbel in Illertissen erfunden. Rudolf Kurz, Chef und Namensgeber des Unternehmens Ruku, meldete damals das Patent für ein neuartiges Klappmöbelschloss an. Der Schnapper, der die Tischbeine an der Tischplatte fixiert, wenn die Garnitur zusammengeklappt wird, sei die große Innovation gewesen, erklärt Felix Zettl, der heute als Vertriebsleiter und stellvertretender Geschäftsführer bei Ruku Event arbeitet.
Zettl kennt sich bestens aus mit der mehr als 150-jährigen Geschichte von Ruku. Ein Markenname, den die meisten vermutlich eher mit Garagentoren als mit Biertischen verbinden. Der 1852 gegründete Betrieb, damals eine Säge- und Gipsmühle, hat sich stetig weiterentwickelt und immer neue Produkte in sein Programm aufgenommen. 1900 kamen Holz- und Kofferleisten dazu, 1930 produzierte die Firma hölzerne Flaschenkisten. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte der Einstieg in den Bausektor. Kurz darauf begann Ruku, Garagentore herzustellen. Ab 1965 begann die serienmäßige Produktion des RukuKipptores als Federzugtor. Zum Ende dieses Jahrzehnts kam mit der Saunaproduktion ein weiteres Standbein dazu.
Doch trotz aller Neuerungen: 2009 folgte der große Knall. Das Unternehmen geriet in Schieflage, musste Insolvenz anmelden. Die einzelnen Sparten wurden verkauft, wodurch Arbeitsplätze in Illertissen erhalten werden konnten. Drei Firmen führen heute die alten Geschäftszweige weiter. Die Biergarnituren sind bei Ruku Event gelandet. Die Firma fertigt Faltpavillons, Klappmöbel, mobile Bierstände und aufblasbare Werbeträger.
Auch wenn die Biergarnitur in Illertissen erfunden wurde – Konkurrenz gibt es für den Hersteller des Originals inzwischen mehr als genug. Wer dieser Tage auf dem Oktoberfest unterwegs ist und sich fragt, ob er wohl auf einer „echten“Ruku-Garnitur sitzt, kann das leicht feststellen. Schmerzen die Knie, weil sich der Wiesn-Besucher beim Setzen an den Tischbeinen gestoßen hat, ist es vermutlich ein Konkurrenzprodukt. Die Ruku-Tische, die auf der Theresienwiese stehen, unterscheiden sich vom altbekannten Standardmodell. Und zwar durch ihr x-förmiges Untergestell. Dass sich die Wiesnwirte für die Tische mit mehr Beinfreiheit entscheiden, hat allerdings nicht nur mit höherem Komfort für die Gäste zu tun. Vertriebsleiter Felix Zettl erläutert: „Da stecken wirtschaftliche Interessen dahinter.“Diese Garnituren können enger gestellt werden – und mehr Platz für die Wiesnbesucher bedeutet mehr Umsatz.
Zum Oktoberfest sagt Zettl: „Für uns ist das heute noch eine schöne Prestigesache.“Doch inzwischen machen die Münchner Brauereien nicht mehr den Löwenanteil am Gesamtvolumen des Geschäfts aus.