Das war mutig, Jens Hase!
Zum „Fest der Freiheit“ist auch Jens Hase von Günzburg nach Prag in die deutsche Botschaft gereist. Noch etwas mehr Besucher sind an diesem Samstag auf dem Botschaftsgelände, als sich vor 30 Jahren dort aufgehalten haben.
Jetzt hält niemand die Menschen davon ab, das Gelände zu betreten. Sie finden über Türen und Tore Einlass. Im Spätsommer 1989 mussten die DDR-Bürger einen hohen Zaun überwinden, um sich vor dem langen Arm des DDR-Regimes in Sicherheit zu bringen. Aktiv hatte die Botschaft außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches nicht eingreifen dürfen. Die Szenen, die nun im Fernsehen wiederholt werden, reichen aus, um reichlich Gänsehaut zu erzeugen – spätestens, wenn Hans-Dietrich Genscher vom Balkon der Botschaft den Menschen die Ausreise in die Bundesrepublik verspricht. Jubel. Tränen der Freude. Grenzenlose Erleichterung.
Das alles sollte man sich vor Augen führen, wenn an Stammtischen dümmliche Parolen nach dem Motto, die Mauer hätte man besser noch höher ziehen sollen, die Luft verbrauchen.
Auch die Unzufriedenheit von Menschen im Osten Deutschlands, von denen sich nach einer aktuellen Allensbach-Umfrage 42 Prozent als Bürger zweiter Klasse fühlen, ist bei aller Enttäuschung in dieser Pauschalität nicht nachvollziehbar. Allzu leicht wird dieses unglaubliche Geschenk der deutschen Wiedervereinigung klein geredet. Vor 35 Jahren durfte noch niemand davon zu träumen wagen.
Gewaltige Dominosteine, die die Mauer zum Einsturz brachte und den Eisernen Vorhang zerrissen hat, waren die friedlichen Demonstrationen der DDR-Bevölkerung, Politiker, die mit Herz und Verstand handelten und verhandelten, die Grenzöffnung Ungarns und die Flucht der Menschen in die Prager Botschaft mit dem glücklichen Ende einer Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland.
Am Samstag stand der Günzburger Hase neben dem damaligen Kanzleramtsminister Rudolf Seiters in der Botschaft – mit einem Aufkleber als Zeitzeuge erkennbar.
Er wurde gelöchert mit Fragen. Und Jens Hase, der als Mitarbeiter des Neu-Ulmer Berufsbildungszentrums junge Menschen begleitet, lässt sich geduldig ausfragen über sein Leben in beiden deutschen Staaten.
Wenn Hase seine Geschichte erzählt, wird die Courage deutlich, die ein damals 19-Jähriger besessen hat, um einem Staat zu entsagen, der seine Bürger ausspioniert und sich einen Dreck um die Rechte des Einzelnen geschert hat. Einige Schulen nutzen Hases Erlebnisse, um ihren Schülern aus erster Hand schildern zu lassen, wie das war in der DDR. Es ist eine Mahnung, nicht zu vergessen, wie sie authentischer nicht sein kann.