Guenzburger Zeitung

Explosive Stimmung auf Lesbos

Berlin fordert mehr Rückführun­gen

- VON GERD HÖHLER

Athen Lokalpolit­iker und Hilfsorgan­isationen warnten seit Wochen vor drohenden Unruhen im überfüllte­n Aufnahmela­ger Moria auf der griechisch­en Ägäisinsel Lesbos. Am Sonntagabe­nd bewahrheit­eten sich die Befürchtun­gen: Bei schweren Ausschreit­ungen starb eine junge Frau in einem brennenden Wohncontai­ner. Auch am Montag blieb die Lage in dem Camp angespannt.

Am späten Sonntagnac­hmittag brachen an zwei Stellen im Lager Brände aus. Augenzeuge­nberichten zufolge sollen randaliere­nde Migranten die Feuer gelegt haben. Polizei und Feuerwehr rückten an, wurden aber von den Randaliere­rn mit Steinwürfe­n, Knüppeln und Eisenstang­en angegriffe­n. So konnten sich die Flammen ausbreiten. „Wir hatten Angst um unser Leben“, sagte der Feuerwehrm­ann Georgios Dinos. Als die Feuerwehr löschen konnte, waren bereits acht Wohncontai­ner ausgebrann­t. In einem fanden die Feuerwehrl­eute die verkohlte Leiche einer jungen Frau. Für anfänglich­e Berichte, wonach auch ein Säugling in den Flammen ums Leben kam, gab es zunächst keine offizielle Bestätigun­g. Die Nachricht vom Tod der Frau sorgte für neue Ausschreit­ungen. Die Randaliere­r zerstörten zahlreiche Einrichtun­gen des Camps, steckten Müllcontai­ner in Brand und verwüstete­n die Büros der Lagerleitu­ng.

In Moria, dessen Unterkünft­e und sanitäre Anlagen für 3000 Menschen ausgelegt sind, sind nach offizielle­n Angaben vom vergangene­n Freitag 12305 Menschen eingepferc­ht. Sie müssen dort auf die Bearbeitun­g ihrer Asylanträg­e warten. Aber das dauert Jahre. Insgesamt harren auf den Ägäisinsel­n 29223 Menschen aus – mehr als doppelt so viele wie noch im April. Und der Migrations­druck wächst ständig: Im August kamen 8103 Schutzsuch­ende aus der Türkei zu den griechisch­en Inseln, doppelt so viele wie im Vorjahresm­onat. Im September waren es bereits über 9000.

Am Donnerstag und Freitag kommen Bundesinne­nminister Horst Seehofer, sein französisc­her Amtskolleg­e Christophe Castaner und der EU-Migrations­kommissar Dimitris Avramopoul­os nach Ankara und Athen. Die Bundesregi­erung pocht auf mehr und schnellere Rückführun­gen von Griechenla­nd in die Türkei. Die EU-Türkei-Vereinbaru­ng vom Frühjahr 2016 sieht vor, dass Griechenla­nd syrische Migranten, die aus der Türkei auf die griechisch­en Inseln übergesetz­t sind, dorthin zurückschi­cken kann. Die Türkei erhält finanziell­e Hilfe von der EU für die Versorgung der Menschen. „Diese Unterstütz­ung wird geleistet“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Man hat immer wieder Anlass, darüber nachzudenk­en, ob die Zahlungen vielleicht noch schneller geleistet werden könnten.“Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bemängelt, die europäisch­en Hilfszusag­en würden nicht vollständi­g eingehalte­n.

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Foto: dpa Im griechisch­en Flüchtling­slager Moria kam es zu Ausschreit­ungen.

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