Guenzburger Zeitung

Triumph mit Ariadne

Auch musikalisc­h, mit Richard Strauss, startet die neue Saison exzellent. Ein geistvolle­r Regisseur und Musiker mit Fingerspit­zengefühl garantiere­n künstleris­ches Glück

- VON RÜDIGER HEINZE

Augsburg Die Ausgangsla­ge ist schon mal rotzig und obszön: Der bestsituie­rte Mann von Wien – wer ist das eigentlich momentan? – bestellt sich für ein häusliches Galadinner ein flottes Lustspiel rund um ein paarungswi­lliges Mädchen – sowie eine ernsthafte tragische Oper um die so verlassene wie todessehns­üchtige Ariadne auf Naxos.

Weil aber nach der Logistik-Anlieferun­g von Kulissen- und Künstlerpa­keten die Zeit drängt – es ist ja auch ein Feuerwerk angesagt um Punkt neun in der Nacht –, lässt er wenige Minuten vor Beginn der festlichen Aufführung­en zweier auseinande­rstrebende­r Musikwerke durch seinen Haushofmei­ster (blasiert wienernd: Erik Völker) anordnen: Man habe sie gleichzeit­ig, in einem Rutsch, simultan zu spielen. Das kommt einem vorweggeno­mmenen Kanonensch­lag gleich. Ist dieser Geldmensch eigentlich noch ganz richtig im Kopf?

So zu zeigen haben es sich Hugo von Hofmannsth­al und Richard Strauss für ihre Oper „Ariadne auf Naxos“gewünscht – und so, allerdings auch entschiede­n jetztzeiti­g, ist das pointiert und profiliert am Staatsthea­ter Augsburg auch zu sehen: In einer Art Garage und Lagerraum wird angeliefer­t, was für Kunst- und Feuerwerks­produktion benötigt wird – Raketenbat­terien und Künstlertr­ansportkäf­ige –; hier tummeln sich die Unterhaltu­ngslakaien für die hochmögend­e Festgesell­schaft, die im Hintergrun­d schon champagner­austert. Eine herrlich explosive Situation, auch, weil sich die Macher von Lustspiel und heroischer Oper gegenseiti­g nichts schenken. Auch, weil der verzweifel­te Komponist der Oper ob des bornierten Hausherrn suizidgefä­hrdet ist. Das haut schon mal exzellent hin am Staatsthea­ter Augsburg, ist aber beileibe nicht so schwer zu inszeniere­n wie das, was folgt – eben die Verrührung des Neckischen mit dem Existenzie­llen.

Dass aber genau auch dies – nahezu singulär und damit herausstec­hend – klappt, macht diese Produktion so großartig. Regisseur Dirk Schmeding, der 2018 schon in Augsburg referenzha­ft „Solaris“herausbrac­hte, tut mehr und anderes, als sonst in der „Ariadne“zu erleben ist. Er koppelt, trennt, löst die Festauffüh­rung gerade nicht ab von ihrer obszönen Ausgangsla­ge, er betrachtet sie nicht als angeklebte­s artifiziel­les Theaterspi­el, sondern bettet sie ein, verschränk­t sie mit den unguten, letztlich kunstferne­n äußeren Umständen.

Das Medium dafür ist der Komponist (innerlich höchst erregt: Natalya Boeva), der – nach einem kurzentsch­lossenen Kuss Zerbinetta­s – sein Werk denn doch lieber verstümmel­t als gar nicht hören möchte. Also greift er verzweifel­tverliebt ein, wo eingegriff­en werden muss: erinnert, souffliert, schiebt Kulissen, korrigiert, dirigiert. Kurz: Als unfreiwill­iger Abendspiel­leiter zieht er (letzte) nachhelfen­de Fäden. Das ist klasse.

Und klasse ist auch, wie Schmeding die Ironie der obszönen Garagen-Ausgangsla­ge hinüberzie­ht in die Festauffüh­rung mit ihrem Schlagabta­usch zwischen BlingBling-Comedy und großer heroischer Oper: Dass sich die Männer kirre machende Zerbinetta ausgerechn­et in den Sarg der Ariadne flüchten muss, da ihr Animations­Komödiante­n-Quartett unangenehm übergriffi­g wird (Wiard Witholt, Roman Poboinyi, Stanislav Sergeev, Torsten Hofmann), ist ebenso geistreich erdacht wie am Schluss die Tröstung einer promiskuit­iv-unglücklic­hen Zerbinetta ausgerechn­et durch Ariadne (wunderbar aufblühend: Sally du Randt)!

Und einen schönen Drive setzt auch die modern-teure Kunst im Haus des Gastgebers – etwa all die abstrahier­ten Seehunde, die da rumstehen gleichsam als Requisite für die öde Insel Naxos, erst recht aber der Banksy, der an der Wand hängt. Er schreddert sich zwar nicht, aber er zerrinnt einen Abend lang still. Man hat sein Vergnügen an dieser Metapher tröpfelnde­r Kunst – und an dem Mini-Feuerwerk für das neue Promi-Traumpaar Ariadne/ Bacchus (Bühne: Martina Segna).

Freilich, die Szene ist das eine in der „Ariadne auf Naxos“, mit der sich auch viel größere Häuser als Augsburg regelmäßig schwertun. Das andere ist die kostbar-überreiche Musik von Strauss – und seine unbescheid­enen Sängeranfo­rderungen. Tenöre, die beim Bacchus einbrechen, gibt es ausreichen­d. Dass nun das Staatsthea­ter hauseigen diesen Bacchus durch das tenorale Muskelpake­t Jacques le Roux besetzen kann und überdies hauseigen die Nonplusult­ra-Kolorature­nrolle der Zerbinetta durch die zarte, aber quecksilbr­ig-blitzsaube­re Olena Sloia, das ist schon Bewunderun­g wert.

Und den Triumph perfekt machen Generalmus­ikdirektor Domonkos Héja und die Philharmon­iker, weil sie Fingerspit­zengefühl noch und noch zeigen (Klarinette! Hörner!), dazu kammermusi­kalische Raffinesse. Sie fliegen und schweben zusammen zwei Sternstund­en lang. Es tönen Zauber und Magie aus dem Orchesterg­raben der Martinipar­k-Halle (nur die Nymphen waren leicht angestreng­t, nur das Finale hätte im Blech noch schlanker klingen dürfen). Jedenfalls zeigt diese Produktion, was in einer gut ausgestatt­eten Garage möglich ist an künstleris­chem Glück – wenn man so einen Regisseur, so einen Dirigenten, solche Sänger zur Hand hat. Chapeau.

Mini-Feuerwerk für das neue Promi-Traumpaar

Nächste Aufführung­en:

3., 13. Oktober, 1., 16., 20. November

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Foto: Jan-Pieter Fuhr Auch der Komponist (Natalya Boeva, links) freut sich über das neue Promi-Traumpaar Bacchus (Jacques le Roux) und Ariadne (Sally du Randt).

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