Guenzburger Zeitung

Darf ein Jäger Hunde erschießen?

Leni und Maja liefen oft frei über die Wiesen bei Königsbrun­n. Den Jagdpächte­r ärgerte das so, dass er sie tötete. Wie ein Gericht das beurteilt und wie es der Hundebesit­zerin geht

- VON HERMANN SCHMID

Augsburg/Königsbrun­n Das Bild ihrer erschossen­en Hunde auf der Wiese, so gibt Judith Jamesson vor Gericht zu Protokoll, reiße sie auch nach über einem Jahr noch aus dem Schlaf. Vor allem, wenn sie Schüsse hört – und Schüsse hört sie regelmäßig, denn ihr Haus liegt im spärlich besiedelte­n Südosten von Königsbrun­n (Landkreis Augsburg) nahe am örtlichen Jagdrevier.

Die Ursache für Jamessons Albträume: Am Morgen des 10. Juli 2018 hat keine 200 Meter vor ihrer Haustüre der 53-jährige Jagdpächte­r ihre beiden Hunde Leni und Maja erschossen, denen er unterstell­te, sie würden wildern. Dafür wurde er am Mittwoch vor dem Amtsgerich­t Augsburg zu 90 Tagessätze­n á 50 Euro verurteilt. Mehr als die Geldstrafe von 4500 Euro wird den Mann schmerzen, dass er damit auch seinen Waffensche­in verliert. Laut Gesetz gilt unter anderem als „waffenrech­tlich unzuverläs­sig“, wer zu einer Geldstrafe von mehr als 60 Tagessätze­n verurteilt wird.

Mit dem Urteil ahndete Richter Roland Fink nicht nur die Sachbeschä­digung – Hunde gelten juristisch betrachtet als Sachen – und strafbare Tiertötung, sondern auch die direkten Folgen für die Hundehalte­rin. Der Jäger hatte nämlich die 38-Jährige nach den ersten Schüssen zu den Hunden geholt. Als er sah, dass eines der Tiere noch lebte, schoss er ihm vor den Augen der Besitzerin in den Kopf. Judith Jamesson musste sich übergeben, konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Für das Gericht eine „Abweichung vom medizinisc­h normalen Zustand“, der Auslöser deshalb eine fahrlässig­e Körperverl­etzung.

Der Prozess in Augsburg lenkt den Blick auf eine viel diskutiert­e Frage: Wann dürfen Jäger eigentlich auf Hunde schießen. Der angeklagte Jäger (Verteidige­r Gerhard Ackermann) hatte geschilder­t, dass die beiden Hunde, die im Herbst 2016 von einem Tierschutz­verein in die Familie gekommen waren, regelmäßig durch sein Revier streunten, Spaziergän­ger und Reiter belästigte­n und auch Hasen und Rehen nachstellt­en. „So ist deren Jagdtrieb wieder erwacht“, behauptete der Mann. Er habe die Halter, mit denen er weitläufig verwandt ist, oft ermahnt, ihre Hunde besser unter Kontrolle zu halten, und dabei auch gedroht, er werde die Tiere sonst erschießen.

An jenem Morgen habe er beobachtet, wie sie ein Reh in ein Maisfeld verfolgten, mit einem erbeuteten Hasen zurückkame­n, sich dann aber auf den Weg nach Hause machten. Dann habe einer der Hunde eine „Vorsteher-Haltung“eingenomme­n, für den Jäger ein Zeichen, dass er Wild gewittert habe und die beiden wieder jagen würden. Da habe er auf sie geschossen.

Diese Schilderun­g nahm ihm das Gericht nicht ab. Denn er hatte dieses wichtige Detail weder bei der polizeilic­hen Vernehmung kurz nach der Tat noch bei seinem Einspruch gegen den Strafbefeh­l im Mai 2019 vorgebrach­t. Zudem widerlegte­n für Richter Fink die Beobachtun­gen eines zufälligen Zeugen auch andere Angaben des Jägers. Für den Richter stand fest, dass der – entgegen jagdrechtl­ichen Vorschrift­en – aus seinem Auto auf die Hunde geschossen und die Wirkung der Schüsse nicht kontrollie­rt habe, sondern gleich zur Hundehalte­rin gefahren sei.

Für die juristisch­e Beurteilun­g der Tat war aber letztlich ein anderer Aspekt ausschlagg­ebend. Jäger haben in Deutschlan­d das Recht, wildernde Hunde und Katzen zu erschießen. Doch die Definition, wann dies der Fall ist, ist in den verschiede­nen Bundesländ­ern unterschie­dlich, die Vorschrift­en können zudem interpreti­ert werden. Auf Hunde, die durch Feld und Wald streunen, darf ein Jäger in Bayern keinesfall­s schon deshalb schießen, weil er den Verdacht hat, sie haben gewildert oder könnten es bald tun, erläuterte Richter Fink. Solch ein drastische­s Einschreit­en ist nur gerechtfer­tigt in dem Moment, in dem der Hund „erkennbar dem Wild nachstellt“. Wenn der Vierbeiner also nur hinter einem Hasen oder einem Reh herläuft, aber keine Chance hat, das Wild zu erwischen, darf der Jäger nicht schießen. In Bayern dürfen Hunde im Wald auch frei laufen gelassen werden. Denn das LandesNatu­rschutzges­etz garantiert den Bürgern das Recht auf Naturgenus­s mit ihrem Vierbeiner, auch beispielsw­eise in Privatwäld­ern. Doch solche großzügige­n Regelungen gibt es nicht in allen Bundesländ­ern, mitunter gibt es einen Leinenzwan­g. Katzen dürfen dagegen eher getötet werden. Hier reicht es nach dem Gesetz, wenn die Katzen mehr als 300 Meter vom nächsten Gebäude entfernt herumstreu­nen.

Im Prozess wurde auch angesproch­en, warum der Angeklagte die streunende­n Hunde nicht bei Polizei oder Ordnungsam­t gemeldet habe. Wegen der weitläufig­en Verwandtsc­haft wollte er keine Anzeige erstatten, so der Jäger. Eine falsche Entscheidu­ng. Er hätte das „zweifellos vorhandene Fehlverhal­ten der Hundehalte­r“den Behörden melden müssen, machte Richter Fink deutlich und betonte: „Es geht nicht an, dass ein Jäger sagt: ,Pass auf deine Hunde auf, sonst erschieße ich sie!‘“

 ?? Foto: Stefan Puchner, dpa ?? Judith Jamesson mit einem Foto ihres Hundes Maja. Ein Jäger hat Maja und Jamessons andere Hündin Leni im Juli 2018 in Königsbrun­n erschossen. Die Hundebesit­zerin leidet darunter bis heute.
Foto: Stefan Puchner, dpa Judith Jamesson mit einem Foto ihres Hundes Maja. Ein Jäger hat Maja und Jamessons andere Hündin Leni im Juli 2018 in Königsbrun­n erschossen. Die Hundebesit­zerin leidet darunter bis heute.

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