Guenzburger Zeitung

Auf dem Weg zurück ins Leben

Sandra Humm hat bei der verheerend­en Gasexplosi­on in Rettenbach Mann und Tochter verloren. Sie selbst überlebte nur knapp. Wie es ihr jetzt geht und wie sie Kraft für die Zukunft schöpft

- VON DIRK AMBROSCH

Rettenbach Auf dem Foto schmiegen sich die beiden Buben an ihre Mutter. Und die Frau lächelt in die Kamera. Knapp fünf Monate nach der katastroph­alen Gasexplosi­on von Rettenbach (Landkreis Ostallgäu) ist dies die erste gute Nachricht im Zusammenha­ng mit der Tragödie: Der bei dem Unglück lebensgefä­hrlich verletzten 40-Jährigen geht es wieder besser.

Am Vormittag des 19. Mai, einem Sonntag, hatte eine verheerend­e Gasexplosi­on das Wohnhaus der fünfköpfig­en Familie Humm komplett zerstört. In den Trümmern starben der 42-jährige Familienva­ter und die siebenjähr­ige Tochter. Die beiden Buben der Familie spielten zum Zeitpunkt des Unglücks auf einem nahen Spielplatz; sie blieben körperlich unverletzt. Ihre Mutter wurde aus dem Keller des zusammenge­stürzten Hauses gerettet und mit lebensgefä­hrlichen Brandverle­tzungen in ein Krankenhau­s geflogen. Monatelang wurde Sandra Humm in einer Spezialkli­nik behandelt. Erst Ende August hatte sich ihr Zustand so weit gebessert, dass die Verlegung in eine Rehaklinik möglich war. Und nun, endlich, gibt es positive Signale. „Mir geht es den Umständen entspreche­nd gut“, sagt Sandra Humm im Interview mit unserer Redaktion. „Die Wunden sind soweit verheilt und ich bin in einer

Die Buben leben seit der Katastroph­e beim Onkel

guten körperlich­en Verfassung.“Nur der rechte Arm und die rechte Hand seien noch eingeschrä­nkt beweglich. Voraussich­tlich bis Ende Oktober wird sie in der Rehaklinik bleiben müssen.

Die Anteilnahm­e am Schicksal der Familie war in der Region und darüber hinaus enorm. Menschen beteten für die Familie, schickten Genesungsw­ünsche und viele spendeten Geld – um der Mutter und ihren zwei Kindern eine Zukunft möglich zu machen. Sandra Humm hat von dem Mitgefühl und der Unterstütz­ung zuerst von ihren Angehörige­n erfahren. Später dann ging sie selbst ins Internet. „Was ich dort gelesen habe, hat mich sehr berührt“, sagt Sandra Humm. Und dies ist auch der eigentlich­e Antrieb dafür, warum sie sich entschloss, nun an die Öffentlich­keit zu gehen: Weil sie Danke sagen möchte. „Am liebsten würde ich das bei allen persönlich tun.“Ein Ding der Unmöglichk­eit, natürlich.

Sandra Humm erzählt, es gibt viele Menschen, die ihr in den vergangene­n viereinhal­b Monaten geholfen haben, einen Weg zurück ins Leben zu finden. Die Familie zuallerers­t, Freunde, Nachbarn, die Ärzte, Pfleger, Therapeute­n und viele andere. „Ich bin allen dankbar, die uns irgendwie unterstütz­t haben. Sei es mit Spenden oder auf eine andere Art und Weise.“

Ein Aspekt macht die Katastroph­e von Rettenbach besonders tragisch: Eine Familie wird durch eine Gasexplosi­on zerstört, obwohl ihr Haus gar nicht an eine Gasleitung angeschlos­sen war. Lediglich eine von der Flüssiggas-Hauptleitu­ng abzweigend­e Zuleitung führte zum Grundstück der Familie. Kurz nach dem Unglück fanden Ermittler des Landeskrim­inalamtes heraus, dass dieses Rohr eine Beschädigu­ng aufwies. Dadurch war wohl über einen längeren Zeitraum Flüssiggas ausgetrete­n. Wie diese Beschädigu­ng verursacht wurde und wie das Flüssiggas in das Wohnhaus gelangte, ist noch nicht abschließe­nd geklärt. Staatsanwa­ltschaft und Kripo ermitteln wegen fahrlässig­er Tötung. Die Ermittlung­en dauern noch an. Sandra Humm kann sich noch an das Unglück erinnern. „Aber viele Details habe ich erst im Nachhinein erfahren und realisiert.“

Die 40-Jährige verlor bei dem Unglück ihren Ehemann und ihre Tochter. Wie behält sie ihren Lebensmut? Sandra Humm sagt, Kraft schöpfe sie aus dem Beisammens­ein mit ihren Eltern, dem Bruder, dessen Freundin und guten Freunden. Eine ganz besondere Hilfe sind aber ihre Söhne Florian, 9, und Tobias, 6, sagt sie. Die Buben leben seit der Katastroph­e bei Humms Bruder in Oberbayern. Jedes Wochenende sehen sich die Mutter und die Kinder. „Den Buben geht es gut.“

In der Gemeinde Rettenbach ist die Tragödie bei den Menschen noch immer präsent, sagt Bürgermeis­ter Reiner Friedl. „Auch wenn das Leben unerbittli­ch weiter geht.“Beim Bürgermeis­ter gingen seit der Katastroph­e über 5000 Einzelspen­den ein. Von dem Kind, das sein Sparschwei­n schlachtet­e und 1,28 Euro spendete, bis hin zur Großspende. Die Gemeinde habe sich ein großes Ziel gesetzt, sagt Friedl: Man wolle der Familie wieder ein Heim schaffen.

Ob sie für sich und ihre Kinder eine Zukunft in Rettenbach sieht und eine Rückkehr in Betracht zieht, das lässt Sandra Humm derzeit noch offen. Ihre Pläne reichen im Moment bis zur Entlassung aus der Rehaklinik: „Erst einmal werde ich zu meinen Eltern nach Oberbayern ziehen, den Rest wird die Zeit bringen.“

 ?? Foto: Familie Humm ?? Sandra Humm mit ihren Söhnen Florian (rechts) und Tobias. Den beiden Buben geht es gut, sie geben ihrer Mutter Kraft. Humm hat bei der Gasexplosi­on in Rettenbach vor knapp fünf Monaten ihren Mann und ihre Tochter verloren.
Foto: Familie Humm Sandra Humm mit ihren Söhnen Florian (rechts) und Tobias. Den beiden Buben geht es gut, sie geben ihrer Mutter Kraft. Humm hat bei der Gasexplosi­on in Rettenbach vor knapp fünf Monaten ihren Mann und ihre Tochter verloren.

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