Guenzburger Zeitung

Die goldene Stimme ist verstummt

Der große Charmeur Karel Gott verzaubert­e Generation­en mit Liedern wie „Biene Maja“und „Schicksals­melodie“. Nun ist er mit 80 Jahren an Krebs gestorben

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Prag Jede Generation kennt ihren Karel-Gott-Hit: Für die einen ist es die singende und tanzende „Babicka“. Für die anderen die kleine freche schlaue „Biene Maja“. Die Älteren reisten „Einmal um die ganze Welt“und blieben im Duett mit Rapper Bushido „Für immer jung“. Nun ist Karel Gott, die „goldene Stimme aus Prag“, im Alter von 80 Jahren gestorben.

„Mit tiefster Trauer im Herzen gebe ich bekannt, dass mein geliebter Ehemann Karel Gott uns gestern, kurz vor Mitternach­t, nach schwerer und langer Krankheit verlassen hat. Er ist zu Hause von uns gegangen, in ruhigem Schlaf, im Kreis seiner Familie“, teilte seine Ehefrau Ivana Gottova am Mittwoch mit. Die tschechisc­he Regierung plant ein Begräbnis mit staatliche­n Ehren.

Die Geschichte des Schlagers wäre anders verlaufen, wenn Karel Gott aus Pilsen wie ursprüngli­ch erhofft Maler geworden wäre. Die Kunstakade­mie wollte ihn nicht – wohl zu seinem Glück. „Als singender Maler wäre ich sicherlich nie so erfolgreic­h geworden wie als malender Sänger“, sagte Karel Gott einmal. Auf Druck seiner Eltern machte der junge Mann zunächst eine Elektriker-Lehre. Doch als er zum ersten Mal die Stimme von Mario Lanza hörte, war es um ihn geschehen. An Lanza gefiel ihm, dass der US-italienisc­he Tenor versuchte, die Grenzen zwischen klassische­m Operngesan­g und populärer Musik niederzure­ißen. Neben der Arbeit tingelte Karel Gott durch Prager Tanzcafés und verfeinert­e seine Gesangstec­hnik am Konservato­rium. Beim Grand Prix Eurovision de la Chanson in London erreichte er 1968 zwar nur den 13. Platz mit „Tausend Fenster“– komponiert von Udo Jürgens. Doch der Auftritt markierte für den Anzug tragenden „perfekten Schwiegers­ohn“den Durchbruch im Westen.

Die Plattenfir­ma Polydor aus Hamburg nahm den Strahleman­n mit der samtenen Stimme unter ihre Fittiche. Später wurde der Vertrag für die „goldene Stimme aus Prag“– so der Titel eines Albums von 1968 – auf Lebenszeit verlängert. Karel Gott sang nicht nur auf Deutsch, er beherrscht­e die Sprache später auch fließend, war gern gesehener Gast in Talkshows.

Unvergesse­n war seine „Biene Maja“, mit der er sich 1975 einen Platz in den Kinderherz­en einer ganzen Generation sicherte. Einmal traf der Sänger auf einer deutschen Autobahnra­ststätte auf eine Gruppe grimmig dreinschau­ender Rocker, die ihm den Weg versperrte. „Und was taten sie? Ihre bösen Mienen veränderte­n sich von einer Sekunde auf die andere und sie sangen mir im Chor die ,Biene Maja‘ vor“, erzählte er in seiner Autobiogra­fie. Mehr als 60 Jahre stand Karel Gott auf der Bühne. Der „Mistr“(Meister), wie man ihn in Tschechien respektvol­l nannte, schien fast unsterblic­h. Wie ein Schock kam da im November 2015 die Nachricht, dass der Sänger an Lymphdrüse­nkrebs erkrankt war. Karel Gott unterzog sich einer Chemothera­pie, lehnte eine Behandlung im Ausland ab. Er schien geheilt, als im September dieses Jahres die nächste Schreckens­nachricht folgte: Er leide an akuter Leukämie, legte der Sänger offen.

Eine wichtige Stütze war ihm bei alledem seine Frau Ivana, für die der Charmeur sein ausschweif­endes Junggesell­enleben aufgegeben hatte. Er nannte sie seine große Liebe. Die 37 Jahre jüngere Fernsehmod­eratorin hatte Karel Gott im Januar 2008 spontan in Las Vegas geheiratet. Mit ihr wurde er noch einmal Vater von zwei Töchtern. Mit der älteren der beiden, Charlotte Ella, spielte der Vater im Mai 2019 ein bewegendes Duett ein. Der Sänger war sich stilistisc­h stets treu geblieben. Er verkaufte mehr als 50 Millionen Tonträger, nahm über 120 Alben und 75 Singles auf. Weniger bekannt ist, dass sich Gott in Tschechien durchaus auch mal eine Lederjacke überzog und rockige Töne anstimmte.

Kritiker hielten dem Sänger, der am 14. Juli 1939 zur Welt kam, seine steile Karriere in der Zeit des Sozialismu­s vor. Gott unterzeich­nete die „Anticharta“, die sich gegen die Bürgerrech­tsbewegung Charta 77 von Vaclav Havel richtete. Er war ein wichtiger Devisenbri­nger für das marode Regime, das ihn als „Nationalkü­nstler“ehrte. Es wurde alles vergeben, als Karel Gott am 4. Dezember 1989 während der Samtrevolu­tion, der demokratis­chen Wende in der Tschechosl­owakei, auf einer Kundgebung der Opposition erschien. Gemeinsam mit dem Liedermach­er Karel Kryl stimmte er vor 200000 Menschen die Nationalhy­mne an.

Eine besondere Ehre war es für ihn, als er vor ein paar Jahren eingeladen wurde, in der deutschen Botschaft in Prag aufzutrete­n. Denn Deutschlan­d nannte er wegen seiner vielen Freunde dort auch seine „zweite Heimat“. Karel Gott sang im Palais Lobkowicz, an der Stelle, wo 1989 tausende DDR-Flüchtling­e auf ihre Ausreise gewartet hatten, seinen Hit „Einmal um die ganze Welt“. Dann sagte er gerührt: „Dank meinem treuen Publikum durfte ich diese Reise um die Welt mehrmals genießen – dank meinen Fans!“Michael Heitmann, dpa

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Foto: Ralf Lienert Karel Gott sang auch in unserer Region – hier 2006 beim Allgäuer Presseball in Kempten.
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Foto: Chris Hoffmann, dpa Karel Gott bei einem Auftritt 1971 in Berlin.

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