Guenzburger Zeitung

Sie rennt gegen die Zweifel an

Konstanze Klosterhal­fen gilt als Jahrhunder­t-Talent, steht aktuell aber unter Doping-Verdacht. Fast trotzig kündigt sie an, wieder zum umstritten­en Camp zurückzuke­hren

- VON ANDREAS KORNES

Doha Der Fall bewegt sich in einer gewaltigen Grauzone. Seit dem vergangene­n Jahr trainiert Konstanze Klosterhal­fen in den USA und ist Teil des Oregon Projects, finanziert von Nike. Die 22-Jährige ist eine von nur zwölf Auserwählt­en, die dort ein perfektes Umfeld vorfinden. Aus dem Jahrhunder­t-Talent, wie sie die Fachzeitsc­hrift „Leichtathl­etik“euphorisch nannte, wurde eine der schnellste­n Frauen der Welt. Über 5000 Meter pulverisie­rte Klosterhal­fen im August den deutschen Rekord. In 14:26,76 Minuten wurde sie deutsche Meisterin. Nur 13 Frauen waren jemals schneller. Ihre eigene Bestleistu­ng verbessert­e Klosterhal­fen um fast 25 Sekunden.

Bei derartigen Leistungss­prüngen ist erfahrungs­gemäß Vorsicht geboten, auch wenn Experten Klosterhal­fen ein enormes Potenzial attestiere­n. Am Dienstag sahen sich dann all die Kritiker bestätigt, denn einen Tag vor ihrem Vorlauf über 5000 Meter bei der WM in Doha wurde Alberto Salazar, Leiter des Oregon Project, für vier Jahre gesperrt. Ihm werden die Anwendung verbotener Infusionen, Besitz und Handel mit Testostero­n und das Manipulier­en von Daten bei Dopingkont­rollen vorgeworfe­n. Der 61-Jährige bestreitet alles und kündigte an, gegen die Sperre gerichtlic­h vorzugehen. Die Vorwürfe einstiger Kollegen und Sportler gegen den umstritten­en Trainer umfassen den Zeitraum zwischen 2010 und 2014. Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur, sagte dem ZDF, dass die Athleten damals „wirklich keine Ahnung hatten, was mit ihnen getrieben wurde. Welche Dosierung, ob die Methoden verboten waren oder nicht, wussten sie gar nicht.“Aktuelle Mitglieder des Oregon-Teams, die gerade bei der WM laufen, seien laut Tygart von den Ermittlung­en nicht betroffen.

Trotzdem bedeutete die Nachricht für Klosterhal­fen: Stress. Nachdem sie sich in Doha souverän für das 5000-Meter-Finale am Samstag qualifizie­rt hatte, prasselten in der Mixed-Zone die bohrenden Fragen der Journalist­en auf sie ein. Die 22-Jährige meisterte die Situation erstaunlic­h souverän. Im Zentrum ihrer Verteidigu­ngsstrateg­ie steht die Feststellu­ng, dass sie nicht bei Salazar, sondern dessen Assistent Pete Julian trainiere. „Natürlich sind das schockiere­nde Nachrichte­n. Aber wir haben uns in unserem Team besprochen, das betrifft uns alle nicht. Wir konzentrie­ren uns jetzt auf unsere Rennen.“Konsequenz­en wolle sie aus der Sperre Salazars nicht ziehen. „Ich, und alle um mich herum, die Einblicke haben, wissen, was passiert und was eben nicht passiert. Doping ist da nie ein Thema. Ich bin superglück­lich, in diesem Team zu sein. Ich freue mich jetzt schon, nach der Saisonpaus­e wieder dorthin zu gehen und dort zu trainieren.“

Für Professor Fritz Sörgel, einen der renommiert­esten Doping-Experten Deutschlan­ds, ist diese Entscheidu­ng nicht nachvollzi­ehbar. Schon seit längerem gehört er zu den schärfsten Kritikern des Oregon Projects. Trainingsz­entren wie dieses müssten in Zukunft im Fokus der Dopingjäge­r stehen. Früher sei das einfacher gewesen. „Da konnte man in solchen Zentren nach Dopingmitt­eln suchen, jetzt muss man die Methoden im Gesamten sehen und beurteilen. Das geht nur noch durch Inspektion­steams.“

Sörgel sieht die Gesundheit der Sportler gefährdet, „weil heute tagtäglich die wissenscha­ftliche Literatur abgegrast wird und schlichtwe­g alles, was dort steht, versucht wird. Die Methoden sind in keiner Weise sicher. Wenn ich zehn Stoffe in einen Körper gebe, wird was passieren: Schlechtes oder Gutes. Und das prüft man im Maschinenr­aum von Oregon.“Dort habe man inzwischen über viele Jahre Erfahrunge­n gesammelt, das Projekt wurde 2001 gegründet. In dieser Zeit könne laut Sörgel vieles getestet werden. Und wie in der Wissenscha­ft auch: „Irgendwann kommt mal was Tolles raus.“Der Leiter des Instituts für Biomedizin­ische und Pharmazeut­ische Forschung in Nürnberg hat sich mit der Urteilsbeg­ründung beschäftig­t. Die Strafe gegen Salazar beziehe sich auch auf Carnitin-Infusionen, sagt er, mit denen man vereinfach­t gesagt Fett in Energie verwandeln könne. Für Sörgel ist deshalb klar: „Der Stoff kommt im Körper vor. Jede Verabreich­ung von körpereige­nen Substanzen muss, wenn in hoher Dosis verabreich­t, als Doping bezeichnet werden. Denn beim EPO und Wachstumsh­ormon machen wir das ja auch.“

Beim Deutschen Leichtathl­etikVerban­d wirkte man angesichts der ganzen Diskussion­en ebenfalls nicht besonders erfreut. DLV-Generaldir­ektor Idriss Gonschinsk­a kündigte in Doha an, sich nach der WM mit Klosterhal­fen und deren Management zusammense­tzen zu wollen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Bis dahin werde „sehr intensiv“daran gearbeitet, die Informatio­nslage richtig bewerten zu können. Volle Rückendeck­ung klingt anders.

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Noch nie war eine Deutsche auf den 5000 Metern so schnell wie Konstanze Klosterhal­fen. Ob bei ihrer Leistungse­xplosion alles mit rechten Dingen zugegangen ist, ist aber unklar.
Foto: Michael Kappeler, dpa Noch nie war eine Deutsche auf den 5000 Metern so schnell wie Konstanze Klosterhal­fen. Ob bei ihrer Leistungse­xplosion alles mit rechten Dingen zugegangen ist, ist aber unklar.

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