Warum Freiheit nicht selbstverständlich ist
Der frühere bayerische Minister Georg von Waldenfels berichtet bei einem Festakt in Günzburg über seine Erlebnisse in den Jahren der Wende
Günzburg Ruth Niemetz zitierte den früheren Bundespräsidenten Roman Herzog: „Freiheit und Demokratie sind nie selbstverständlich“. Auch 30 Jahre nach dem Fall der Mauer nicht. Und angesichts zunehmender rechtsextremer Tendenzen und Hetze schon gar nicht. Deshalb, so die Ortsvorsitzende, habe die Günzburger CSU auch heuer wieder zu einer Veranstaltung am Tag der Deutschen Einheit eingeladen. Festredner im voll besetzten Rokokosaal des Heimatmuseums war der ehemalige bayerische Staatsminister Georg von Waldenfels.
Er erinnerte an die Euphorie jener Wendetage, die hüben wie drüben bald einer gewissen Ernüchterung gewichen sei. Der CSU-Politiker forderte mehr Mut und Geduld im Miteinander und bei der Lösung der unstrittigen Probleme. Der CSU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Alfred Sauter erklärte, „die demokratischen Kräfte“müssten darüber nachdenken, weshalb es bis heute nicht gelungen sei, die Vorteile der Wiedervereinigung allem im Osten in den Köpfen zu verankern. Die „unterschiedlichen Befindlichkeiten in Ost und West“seien „noch immer nicht geglättet“, erklärte Ruth Niemetz. Deshalb sei es nach wie vor geboten, an die „friedliche Revolution“in der damaligen DDR und an die Wiedervereinigung zu erinnern. Zumal mit den zahlreichen rechten Aufmärschen in der jüngeren Vergangenheit „keine friedlichen Ziele“verfolgt würden.
Georg von Waldenfels war in den Wendejahren bayerischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten. Er hat jene Zeiten politisch mitgestaltet. Aufgewachsen ist er in Hof, dem damals sogenannten Zonenrandgebiet – strukturschwach, wirtschaftlich vielfach abgehängt und geprägt von einer steten Abwanderung vor allem der Jungen. Die „gespenstige Grenze“sei als stete Bedrohung empfunden worden.
Umso begeisterter seien in Hof die ersten DDR-Flüchtlinge aus der deutschen Botschaft in Prag begrüßt worden. „Am Bahnhof fielen sich wildfremde Menschen in die Arme“, berichtete von Waldenfels. „Es herrschte eine unvorstellbare Stimmung“, die schon bald ein wenig kippte. Bis zu 80 000 Menschen aus Sachsen und Thüringen strömten täglich in die Stadt, die Zweitaktmotoren ihrer Autos verpesteten die Luft. Kleinere Probleme, so könnte man sagen, angesichts der „noch immer großen Lücke“zwischen Ost und West, wie von Walvor denfels sagte. Vor allem rechtsextreme Kräfte pflegten zunehmend den Tabubruch, nicht nur in der Politik herrsche ein Umgangston, „wie wir ihn uns so nie hätten vorstellen können“, betonte der CSU-Politiker. Dem müsse weiter entgegengewirkt werden. Durch die Suche nach gemeinsamen Wegen, durch ein Miteinander statt der Konfrontation. Dazu seien mehr Mut und Geduld erforderlich. Ja, es gebe Sorgen und Nöte in den neuen Bundesländern, die gebe es aber auch in manchen Regionen Westdeutschlands.
Alfred Sauter erklärte in seinem Schlusswort, viele Länder in Ost und West seien nach der Zeit der Öffnung vor 30 Jahren in den alten Nationalismus zurückgefallen. Vor diesem Hintergrund wäre die deutsche Wiedervereinigung heute weder denkbar noch möglich. Umso dankbarer müsse man sein, dass die Generation von Helmut Kohl, Theo Waigel und Willy Brandt die Zeichen der Zeit erkannt und die Chance der Wiedervereinigung genutzt habe. Sauter abschließend: „Ohne die Wiedervereinigung wäre vieles sehr viel schlechter.“