„Hier möchte ich noch mal Kind sein“
Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm besuchte das Reggio-Kinderhaus in Günzburg. Dabei widmete er sich besonders den Kleinen. Zuvor informierte er sich über das Schulfrühstück in Burgau
Günzburg Der frischgebackene Opa war erkennbar in seinem Element. Hingebungsvoll spielte, bastelte und redete Heinrich Bedford-Strohm mit den Kleinen im Reggio-Kinderhaus Günzburg. Immer wieder mussten die Stadtpfarrer Alexander Bauer und Friedrich Martin ein bisschen aufs Tempo drücken. Schließlich sollte der evangelische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) möglichst alle Räume von Hort und Kindergarten in den Gebäuden der Georg-Simnacher-Stiftung zu Gesicht bekommen. Am Ende des knapp einstündigen Besuchs bekannte BedfordStrom: „Ich bin begeistert, was hier Tolles geboten wird.“Das von der evangelischen Kirchengemeinde Günzburg getragene Kinderhaus an der Ludwig-Heilmeyer-Straße ist in der Tat eine pädagogisch beeindruckende Einrichtung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten Frauen in der italienischen Stadt Reggio Emilia beschlossen, ihre Kinder künftig anders erziehen und bilden zu lassen als in Zeiten von Diktatur und Faschismus unter Benito Mussolini. Frei und selbstständig sollten sie sein, die Kindergärten waren als beschützende Stätten gedacht, in denen die Neigungen und Fähigkeiten der Kleinen – je nach Alter – im Mittelpunkt stehen.
Diese Prinzipien der Reggio-Reformpädagogik würden auch im Kinderhaus in Günzburg gelebt, erklärten die Leiterin Patrycia Grutza und ihre Stellvertreterin Tanja Weißenhorner den Gästen, unter ihnen Dekan Jürgen Pommer. 100 Kinder werden derzeit von insgesamt 19 Erzieherinnen und Erziehern sowie einigen Praktikanten betreut, 30 von ihnen im Hort, 70 im Kindergarten. „Hier möchte ich noch mal Kind sein“, erklärte der 59-jährige Heinrich Bedford-Strohm. Seit sechs Monaten ist er Großvater. er und seine Familie in der Region – das Reggio-Kinderhaus in Günzburg wäre die einzige Einrichtung dieser Art im Landkreis.
Gestaffelt nach dem Alter der Kinder sind die Gruppenräume. Nach einem Jahr ziehen die Kleinen zusammen mit ihren Erzieherinnen und Erziehern von einem Raum in den nächsten. Sie sind ausgerichtet nach den Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder. Spielzeug im engeren Sinne gibt es kaum. Dafür umso mehr Dinge des täglichen Lebens. Scheren, Schraubenzieher und Zangen liegen bereit, im „EntdeWohnten ckerraum“mischt ein Mädchen in einem Reagenzglas verschiedene Farben zusammen. Was wird am Ende dabei herauskommen? Die evangelischen Geistlichen schauen interessiert zu. Ganz im Zuge der Zeit bastelt ein in pink gekleidetes Mädchen ein Einhorn. Nebenan schwimmen Fische im Aquarium, Heinrich Bedford-Strohm ist derweil dabei, vor einer Taktikkarte mit einer Kindergruppe über die Feinheiten des Fußballs zu fachsimpeln. In anderen Räumen sind eine Küche, Früchte des Herbstes und eine Wanne mit Kastanien aufgereiht. Es sind die Sinne, die in unterschiedlicher Weise angeregt werden sollen. Im Hintergrund werden die Tische für das Mittagessen gedeckt. Fleisch steht nicht auf dem Speiseplan. Stattdessen gab es diese Woche Gemüse und Obst sowie frisch zubereitete Nachtische. In den Räumen und Fluren ist es still. Die Kinder gehen gezielt ihren Neigungen nach – die Besucher sind bei allem Interesse doch eher Zaungäste. Am Ende aber doch nicht. Anhand eines Fotos haben die Kleinen Heinrich Bedford-Strohm gezeichnet, die Porträts aus Kinderhand werden dem Gast als Geschenk überreicht.
Begonnen hatte der Besuch des Landesbischofs im Landkreis am frühen Dienstagmorgen mit einem Schulfrühstück, organisiert von der evangelischen Kirchengemeinde, an der Mittelschule in Burgau. Im Anschluss an die Visite im Reggio-Kinderhaus stand ein Treffen des Landesbischofs mit Haupt- und Ehrenamtlichen der evangelischen Kirchengemeinde Günzburg auf dem Programm. Ein praller Terminkalender also.