Guenzburger Zeitung

Alle wollen zu Kurz kommen

Sebastian Kurz wird wieder Kanzler, so viel steht fest. Wenn es um den Koalitions­partner geht, könnte die Wahl allerdings zur Qual werden. Warum in Wien gerade alle wieder von K und K reden

- VON MICHAEL STIFTER

Wien Wenn es in Österreich ums große Ganze geht, dann schaut die Alpenrepub­lik auf eine mit rotem Stoff bezogene Tür. An der goldverzie­rten Klinke ist die prunkvolle kaiserlich-königliche Vergangenh­eit des Landes im wahrsten Sinne des Wortes mit Händen zu greifen. Auch an diesem Montag richten sich die Blicke der Österreich­er wieder auf diese Tür in der Wiener Hofburg. Dort, wo einst die Habsburger herrschten, residiert nun der Bundespräs­ident. Alexander Van der Bellen ist ein älterer Herr von 75 Jahren. Ein ruhender Pol in aufgewühlt­en Zeiten. Nach zwei vorzeitig geplatzten Koalitione­n, allerhand Skandalen und einer Schlammsch­lacht im Wahlkampf wird er Sebastian Kurz den Auftrag erteilen, eine neue Regierung zu bilden, die vor allem eines sein soll: stabil. Nur mit wem?

Selten hat der Spruch von der Qual der Wahl besser gepasst. Denn egal, wie sich der junge Altkanzler entscheide­t: Er wird einen Teil seiner eigenen Wähler enttäusche­n. Dass es für ein Bündnis mit der soziSPÖ oder der rechtspopu­listischen FPÖ reichen würde, stand schon vor der Wahl fest. Mit dem historisch­en Comeback der Grünen geht sich jetzt aber auch eine dritte Option aus, die den Bald-wieder-Kanzler in argumentat­ive Schwierigk­eiten bringen wird – so oder so. Neuerdings wird in Wien jedenfalls wieder öfter über K und K gesprochen. Gemeint ist diesmal aber nicht die kaiserlich-königliche Doppelmona­rchie Österreich-Ungarn, sondern das Duo Kurz und Kogler.

Werner Kogler ist der Mann, der die Grünen – 2017 noch aus dem Parlament geflogen – so spektakulä­r wiederbele­bt hat. Und er ist rein phänotypis­ch das komplette Gegenteil seines potenziell­en Partners. Während der smarte 33-jährige Kurz das Rampenlich­t und die große Bühne liebt, scheint es dem grummelige­n 57-jährigen Kogler bis heute eher zuwider, wenn sich alles um ihn dreht. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass der Grüne nicht gerne regieren würde. Auf eine mögliche Koalition mit den Konservati­ven angesproch­en, ließ Kogler wissen, er warte erst mal darauf, dass sich Kurz bei ihm meldet. „Und wenn er nicht anruft, dann rufe ich ihn an.“

Das Einzige, was die Politiker zu verbinden scheint, ist der Erfolg. Beide haben ihre Parteien in schwierige­n Zeiten übernommen und quasi runderneue­rt. Kurz hat sogar die Parteifarb­e geändert – von Schwarz zu Türkis. Bei ihm ist die Aufbruchst­immung schon mit seiner jugendlich­en Tatkraft zu erklären. Bei Kogler liegen die Dinge ein bisschen anders. Er gehört schon ewig zum Spitzenper­sonal der Grünen und hat es dennoch geschafft, sie aus der außerparla­mentarisch­en Bedeutungs­losigkeit zu retten. Der bärbeißige Mann aus der Steiermark ist einer der letzten Aktiven, die dabei waren, als ÖVP und Grüne 2003 schon einmal eine Koalition ausloteten. Grünen-Chef war damals übrigens ein gewisser Alexander Van der Bellen.

Am heutigen Bundespräs­identen oder an Kogler wären die Gespräche vermutlich nicht gescheiter­t. Es waren eher die grünen Fundis, die sich querlegten. Doch ähnlich wie in Deutschlan­d, sind auch die Grünen in Österreich mit den Jahren pragmatisc­her geworden. Was also spricht dagegen, eine Koalition der Wahlsieger zu schmieden, die wie keine andere einen echten Neuanfang verkörpern würde?

Antworten auf diese Frage findet man im zurücklieg­enden Wahlkampf. Kurz wurde immer dann besonders gefeiert, wenn es um den Kampf gegen illegale Migration und sein Bekenntnis zum Mitte-RechtsKurs ging. Kogler punktete bei seinen Anhängern, wenn er gegen den „schnöselha­ften Herrn Kurz“polterte. Sind die türkis-grünen Gedankensp­iele also nur Fantasien abgehobene­r Eliten, wie Kritiker gerne spötteln? Zumindest kann man sich nur mit Mühe vorstellen, wie K und K nun ihrem Publikum erklären sollen, dass eine gemeinsame Regierung mit dem anderen doch eigentlich eine Riesensach­e wäre.

Zur Wahrheit gehört aber eben auch, dass es unter den Kurz-Anhängern eine Menge Leute gibt, die den Pakt mit der rechtspopu­listialdem­okratische­n schen FPÖ nur unter Schmerzen ertragen haben. Und dass sich die Sache mit dem Klimawande­l nicht von alleine lösen wird, haben sie auch in der ÖVP-Zentrale längst begriffen. Gleichzeit­ig betonte Kogler immer wieder, dass christlich-soziale Wähler klar zur Zielgruppe der Grünen gehören. Und auch der von Kurz immer und immer wieder geforderte bessere Schutz der EU-Außengrenz­en ist für Kogler nicht per se Teufelszeu­g. Womöglich sind die Hürden doch nicht ganz so hoch, wie es bislang schien. Zumal so eine Koalition ja immer eine Frage der Alternativ­en ist. Mit den Sozialdemo­kraten hätte Kurz ähnliche inhaltlich­e Probleme wie mit den Grünen. Und ohne Not ein weiteres Mal mit den von immer neuen Skandalen und Schmutzele­ien erschütter­ten Rechtspopu­listen zu paktieren, wäre angesichts der FPÖ-Wahlschlap­pe deutlich schwierige­r zu erklären als 2017.

Reden will Sebastian Kurz mit allen Mitbewerbe­rn. Das wird dauern. Eher Monate als Wochen. Am Ende werden die Österreich­er dann wieder kollektiv auf eine rote Tür mit goldenem Griff schauen.

Eines haben Kurz und Kogler gemeinsam: den Erfolg

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Foto: Imago Images Der Bald-wieder-Kanzler und die berühmtest­e Türe Österreich­s: Sebastian Kurz in der Wiener Hofburg, dem Sitz des Bundespräs­identen.

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