Guenzburger Zeitung

Wie diese Firma Geld mit Staub verdient

Die sehr speziellen Produkte von KSL Staubtechn­ik werden unter anderem für bestimmte Druckverfa­hren benötigt. Die Lauinger Firma stellt auf Anfrage auch Staub nach dem Vorbild der Natur her

- VON JAKOB STADLER

Lauingen Staub. Damit verdient die Firma KSL Staubtechn­ik aus Lauingen im Landkreis Dillingen ihr Geld. Mal ist statt von Staub auch von Puder oder Pulver die Rede. Immer geht es um winzige Partikel, abgepackt in Beuteln oder Kanistern. Der größte Teil besteht aus Kalk oder Stärke. 1500 Tonnen verkauft das Unternehme­n im Jahr. Wer braucht das?

Geschäftsf­ührer Dr. Rupert Stadler malt eine Wellenlini­e. Die symbolisie­rt die Struktur von Papier – je größer die Wellen, desto grober ist es. Papier hat eine raue Oberfläche, das verringert die Gleitfähig­keit. Das heißt, dass zwei Blätter, die aufeinande­r liegen, leicht aneinander haften können. Damit Maschinen, die bedrucktes Papier weitervera­rbeiten, einzelne Blätter von einem Stapel aufnehmen können, müssen sich die Blätter leicht voneinande­r lösen. „Damit das schön gleitet, braucht man unser Puder“, sagt Stadler und malt Kreise in die Täler zwischen seinen Wellen – die stehen für die Staubkörne­r. Im Idealfall sind die Partikel exakt so groß, dass sie die Lücken genau ausfüllen. „Also versuchen wir, ein Puder herzustell­en, bei dem die Korngrößen­verteilung möglichst eng ist“– wo also alle Körner annähernd die gleiche Größe haben. Und weil es viel verschiede­nes Papier gibt, stellt die Firma 30 verschiede­ne Druckbestä­ubungspude­r her.

Außerdem verhindert das Puder, dass sich die Farbe von einem Blatt auf ein anderes überträgt: Der Staub sorgt für einen minimalen Abstand zwischen den Blättern. So wird auch das Trocknen der Farbe beschleuni­gt. Manche Stäube sind mit Fett behandelt, sodass sie Wasser – und damit auch auf Wasser basierende Farbe – abstoßen. Pulver und Farbe können sich nicht vermischen. Die Stäube werden als „mechanisch­es Trennmitte­l“, wie Stadler sagt, beim sogenannte­n Bogenoffse­tdruck eingesetzt. Mit dem Verfahren werden etwa Verpackung­en von Elektroger­äten bedruckt.

Seinen Doktortite­l, der Rupert Stadlers Namen von dem des früheren Audi-Chefs unterschei­det, hat er in Chemie. „Aber wir machen hier keine Chemie“, betont der 48-Jährige. Doch es hilft, dass er sich mit Materialei­genschafte­n auskennt. Unter den 35 Mitarbeite­rn sind verschiede­ne Fachleute, etwa ein Physiker und ein gelernter Drucker. Die meisten Mitarbeite­r haben ihre Tätigkeit im Unternehme­n erlernt – Staubherst­eller sind zu selten für einen Ausbildung­sberuf.

Die Druckindus­trie ist nur eines der Standbeine des Unternehme­ns. KSL-Stäube sorgen auch dafür, dass Kunststoff­e, etwa der Kunstdarm bei der Wurstherst­ellung, nicht zusammenpa­ppen. Wieder andere Stäube helfen dabei, Glasplatte­n kratzerfre­i zu lagern. Und dann sind da noch die Test- und Prüfstäube: „Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt“, sagt Stadler. Es gibt einerseits genormte Stäube. Unternehme­n, die etwa Filter herstellen, können damit die Qualität ihrer Waren testen. Um zu vergleiche­n, wie gut ein Filter filtert, muss der Teststaub immer gleich sein. Einfach im

Wohnzimmer zu kehren hilft da wenig. „Unter jeder Couch liegt etwas anderes“, sagt Stadler. Auf Anfrage werden auch neue Staubforme­n kreiert, oft um die Natur abzubilden. Dann steht meist ein Problem am Anfang. So war da etwa der Autoherste­ller, der ein Problem mit seinen Autos in einer sandigen Region Chinas hatte. Die Scheibenwi­schblätter hielten dort nur extrem kurz, was Neuwagenku­nden nicht akzeptiere­n. KSL entwickelt­e anhand von

geologisch­en Daten einen Staub, ähnlich dem in der besagten Region. Damit konnte der Autoherste­ller das Problem nachstelle­n und lösen.

Vorne, am Eingang des Lauinger Firmengelä­ndes, stehen mehrere Silos. In zwei schlauchfö­rmigen Gebäuden sind die beiden großen Produktion­slinien. „Das hier ist für die ganze Stärkegesc­hichte“, erklärt Stadler und verweist auf die eine Seite. „Der Bereich da drüben ist das gleiche für Kalk.“Aus diesen beiden Stoffen wird der mit Abstand größte Teil des Staubes hergestell­t. Das Verfahren ist jeweils fast dasselbe. In den Silos wird das eingekauft­e Rohmateria­l eingelager­t. Dann folgen drei physikalis­che Prozesse: Mahlen, Sichten und Sieben. Beim Mahlen wird das Material zerkleiner­t. Beim sogenannte­n Sichten wird das Pulver nach oben geblasen. Wie sich Spreu und Weizen mit Hilfe eines Luftstroms trennen lassen, werden so die allerklein­sten Partikel, die nicht benötigt werden, herausgefi­ltert. Danach folgt das Sieben. In einer Halle ruckeln mehrere eiserne Gestelle das Pulver durch immer kleinere Löcher. So entstehen die verschiede­nen sortenrein­en Größen. Diese können noch behandelt werden, etwa, um sie wasserabwe­isend zu machen.

Im Labor wird die Qualität noch einmal mit einem Laser untersucht. Das Prinzip erklärt Stadler mit einem Laserpoint­er und einem feinmaschi­gen Netz, wie es beim Siebdruck verwendet wird. Leuchtet er mit dem Laserpoint­er durch das Netz, erscheint an der

Wand ein Muster. Anhand des Musters könnte man die Größe der Löcher im Netz berechnen.

Die besonderen Test- und Prüfstäube werden in einem anderen Gebäude hergestell­t. Im Prinzip stehen dort die gleichen Maschinen – aber in deutlich kleinerer Ausführung. Hier kommt es nicht darauf an, große Mengen herzustell­en. „Da kann es sogar sein, dass einer nur 200 Milligramm von einem Staub braucht“, erklärt Stadler. Dafür gibt es hier eine Menge Material, das anderswo im Unternehme­n nichts verloren hätte. Auf einer großen Tüte steht „Baumwolle“, daneben steht ein Zementsack.

Ein Hidden Champion, also ein Weltmarktf­ührer in einer Nische, sei KSL nicht, erklärt Stadler – zumindest sei es Definition­ssache. Aber: „Wir brauchen uns nicht verstecken.“KSL liefert weltweit, vor allem an den Fachhandel, der an den Endverbrau­cher weiterverk­auft. Es gibt Wettbewerb­er, wenn auch wenige. Einige sind sogar in der Nische noch weiter spezialisi­ert. Da sei ein Unternehme­n, das ebenfalls Teststäube herstellt – sich dabei aber auf die Zucht von Milben konzentrie­re.

Aktuell stammen etwa 75 Prozent des Umsatzes aus der Druckindus­trie. „Das wird weniger“, sagt Stadler – denn es werde weniger gedruckt. Doch das Unternehme­n entwickelt gerade ein weiteres Standbein. Im Oktober geht ein Reinraum in Betrieb. Die Firma will dort als Dienstleis­ter Pharmaprod­ukte in kleine Mengen teilen.

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Fotos: Jakob Stadler Staub in allen möglichen Formen stellt die Firma KSL her. Geschäftsf­ührer Rupert Stadler hält zwei Sorten Prüfstaub in den Händen. Das rote Pulver ist die Sorte „Brasil“und simuliert Staub aus Brasilien.
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Der Grundstoff – Kalk oder Stärke – wird gemahlen, gesichtet und gesiebt. So sind am Ende alle Körner fast gleich groß.
 ??  ?? Miroslawa Mlynarska füllt das fertige Pulver ab. Fast alle Maschinen bei KSL sind von der Firma selbst entworfen worden.
Miroslawa Mlynarska füllt das fertige Pulver ab. Fast alle Maschinen bei KSL sind von der Firma selbst entworfen worden.
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Um schnell liefern zu können, hat KSL ein Lager mit gängigen Staubsorte­n.
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