Zu viel des Guten
Leipzig-Trainer Julian Nagelsmann beklagt die Omnipräsenz der Kicker
Leipzig Auf dem heimischen Sofa kann Julian Nagelsmann dem erdrückenden Überangebot im Fußball ab und an entfliehen. „Trash-TV“schaut der Trainer des Bundesligisten RB Leipzig dann – um den Kopf freizubekommen. „Da kann ich dann dasitzen, muss über nichts nachdenken und kann einfach nur grinsen“, sagt der 32-Jährige. Auch beliebt: Dokumentationen über Tiere. „Das habe ich mit meinem Papa immer getan.“
Dass er immer, wenn er wollen würde, Fußball schauen könnte, bereitet dem früheren Hoffenheimer Sorgen. „Die Tatsache, dass über Fußball mehr berichtet wird, ist nicht schlimm. Aber die Hülle und Fülle manchmal schon“, sagt Nagelsmann, mit den Sachsen derzeit Fünfter der Liga. „Wenn ich am Sonntagmorgen den Fernseher anschalte, gibt es gefühlt 44 Talksendungen über Fußball. Da sollte man mal einen Cut machen und anderen Sportarten eine Bühne geben.“
Generell müsse mehr darauf geachtet werden, „dass der FußballMarkt nicht übersättigt wird, sondern dass es ein Sport bleibt, der nah am Volk ist“, sagt Nagelsmann, dessen Arbeitgeber von einem milliardenschweren Investor unterstützt wird. Inzwischen würden „Massen bewegt, Millionen von Menschen schauen zu oder spielen selbst“, sagt er. „Wenn dann alle zwei Tage ein Spiel wäre, würde es den Reiz nehmen. Man geht ja auch nicht alle zwei Tage ins Konzert. Es muss etwas Besonderes bleiben.“
In der Diskussion um steigende Gehälter, durch die selbst mittelmäßig begabte Spieler früh zu Millionären werden, sieht Nagelsmann den Fehler im System. „Das Problem ist, dass der Markt die Gehälter regelt. Es gibt keine Umverteilung“, meint er. „Ich kann nicht sagen, ich verzichte auf 50 Prozent meines Gehalts und diesen Teil bekommen dann Lehrer oder Erzieher. Wenn ich sehe, was die Bundeskanzlerin verdient, dann kann ich, wenn man allein nur die Verantwortung dieses Amtes betrachtet, nur mit dem Kopf schütteln.“
Die Sorgen der Randsportarten kann Nagelsmann verstehen. Ein Wochenende wie das vergangene, wo deutsche Ironman-Siege und der erste Marathon unter zwei Stunden im Fokus standen, genießt der Trainer-Jungstar. „Ich finde das sehr gut“, sagt Nagelsmann: „Es ist schon manchmal ein bisschen skurril, dass in einer Sportart eine WM stattfindet und man bekommt es nicht einmal mehr mit.“
Für den eigenen Saisonverlauf vermag der 32-Jährige noch keine Prognosen abzugeben. „Wir sind immer noch sehr früh in der Saison. Aktuell geht es mit einem Sieg oder einer Niederlage noch zu sehr hoch oder runter“, sagt er. „Vor der Saison habe ich prognostiziert, dass es eine enge Saison wird. Ganz einfach deshalb, weil es in vielen Klubs Veränderungen gab, die in den vergangenen Jahren oben standen.“Allerdings steigere es auch die Attraktivität der Liga, „wenn man nicht schon im Oktober weiß, wer am Ende in den Top 4 ist“.