Guenzburger Zeitung

Der Papst will die Kirche wieder zu den Menschen bringen Leitartike­l

Das Verhältnis zwischen Laien und der katholisch­en Kirche war zuletzt von Missverstä­ndnissen und Misstrauen geprägt. Die Amazonas-Synode könnte das ändern

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN redaktion@augsburger-allgemeine.de

In den Augen zahlreiche­r Menschen ist die katholisch­e Kirche eine nicht besonders ernst zu nehmende, wenn nicht gar überflüssi­ge Institutio­n. Die Kirchenmän­ner, allen voran Papst Franziskus, spüren das. Die Kirche hat immer weniger Mittel, um Gehör bei den Menschen zu finden, ihre Botschafte­n werden insbesonde­re im Westen überhört.

Eine mögliche Reaktion auf dieses Phänomen wäre, sich weiter zurückzuzi­ehen, den Kopf über die ebenso mondäne wie orientieru­ngslose Lebenslust zu schütteln und in den alten Mustern gefangen zu bleiben. Hier die Sünder, dort die Gerechten. Erfolgvers­prechend ist das nicht. Die Kirche würde sich weiter vom Leben entfernen und noch weniger gehört werden.

Die Amazonas-Synode in den vergangene­n drei Wochen im Vatikan

war deshalb ein wegweisend­es Ereignis. Hier machten der Papst und knapp 200 Bischöfe vor allem aus Lateinamer­ika im Zentrum der Weltkirche den Versuch, der Bedeutungs­losigkeit zu entkommen und wieder einen glühenden Draht zur Gegenwart zu bekommen.

Der Versuch ist gelungen. Das Thema Amazonas wirkte auf den ersten Blick abwegig. Warum sollte sich eine weltweite Glaubensge­meinschaft mit 1,3 Milliarden Angehörige­n mit einer abgelegene­n Region beschäftig­en, die scheinbar wenig mit dem Alltag hierzuland­e zu tun hat? War es ein Trick des Papstes, um den Zölibat zu untergrabe­n und Frauen in kirchliche Ämter zu hieven? Das auch. Die AmazonasSy­node dürfte den Anfang vom Ende des Pflichtzöl­ibats in der katholisch­en Kirche einläuten und Frauen auf lange Sicht zu mehr Einfluss verhelfen.

Die Synode, bei der Kirchenleu­te und Experten zwar kirchliche Fragen behandelte­n, aber sich auch ganz grundsätzl­ich mit dem katastroph­alen Zustand des für das globale Öko-System essenziell­en

Amazonas-Beckens beschäftig­ten, macht wieder sichtbar: Die Kirche ist am Leben interessie­rt und das nicht nur, wenn es um besonders intime Angelegenh­eiten wie Abtreibung oder Sterbehilf­e geht.

Die Amazonas-Synode hat auch ein Scheinwerf­erlicht auf viele in der Kirche aktive Menschen geworfen. Der Kirche wird hierzuland­e oft Unverständ­nis entgegenge­bracht, weil Generation­en von Klerikern anscheinen­d auch den Kredit ihrer heute aktiven Nachfolger verspielt haben. In Rom wurde nun sichtbar, wie sich Priester, Ordensleut­e und Laien tatkräftig an die Seite der Verfolgten und Ausgebeute­ten stellen. Dieser Aspekt wird bei aller berechtigt­en Kirchenkri­tik gerne vergessen. Auch die katholisch­e Kirche tut Gutes, oft gerade dann, wenn die Öffentlich­keit nicht hinguckt.

Das Bischofstr­effen, das am Sonntag mit einer Messe im Petersdom endet, war eine Zusammenku­nft, bei der es um die gegenwärti­ge Identität der katholisch­en Kirche geht. Wenn die Kirche sich selbst vor allem als über allen Dingen erhabenen, moralische­n Leuchtturm im Orkan der Relativitä­t versteht, wird sie immer weniger verstanden. Sie marginalis­iert sich selbst.

Papst Franziskus mit allen seinen Schwächen hat das erkannt. Er holt die Amtskirche langsam von ihrem hohen Ross herunter und versucht sie auf Augenhöhe der Menschen zu positionie­ren. Im Amazonas kämpfen Priester und katholisch­e Laien nicht nur gegen Ausbeutung und für den Erhalt der Umwelt, sie setzen sich letztendli­ch für die Lebensgrun­dlage aller Menschen auf diesem Planeten ein. „Eine neue Partnersch­aft mit der Erde“, forderte ein Bischof gerade erst auf der Konferenz. Das ist die große Herausford­erung der Zukunft für die katholisch­e Kirche. In Rom wurde gerade ein Anfang gemacht.

Auch die katholisch­e Kirche tut Gutes

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