Hartes Wochenende für die Koalition
Bange Tage für Union und SPD: Die Landtagswahl in Thüringen könnte eine komplizierte Regierungsbildung nach sich ziehen, und den Sozialdemokraten droht bei der Urwahl ein Debakel
Berlin Er macht es gerade wie Michael Kretschmer: Unermüdlich tourt Mike Mohring durch Thüringen, um zur Landtagswahl am Sonntag das Ruder für seine CDU noch herumzureißen. Der thüringische Landeschef ist dabei dem sächsischen CDU-Mann Kretschmer nicht unähnlich. Auch der hatte bis zuletzt Gas gegeben, den direkten Kontakt mit dem Wahlvolk gesucht und so schlechte Umfragewerte und vor allem eine drohende Niederlage gegen die AfD noch in einen Wahlsieg ummünzen können. Mit der Art, Wahlkampf zu machen, hören die Gemeinsamkeiten zwischen Sachsen und Thüringen aber auch schon auf. Denn Mike Mohring hat, selbst wenn er gewinnt, eine ungleich schwierigere Gemengelage als Kretschmer zu bewältigen.
Kretschmer verhandelt in Sachsen gerade mit SPD und Grünen über die Bildung einer neuen Regierung. Diese sogenannte Kenia-Koalition ist an sich zwar noch ungewohnt, aber in Zeiten, in denen – vor allem durch das Aufblühen der AfD – Zwei-Parteien-Koalitionen immer schwieriger werden, müssen sich Parteien an Dreier-Packs gewöhnen. Mindestens. Denn in Thüringen kann es noch komplizierter werden. Die spannendste Frage mit
Blick auf die künftige Regierung in Thüringen ist, ob sich Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei im Amt halten kann.
Der gebürtige Wessi ist im östlichen Freistaat sehr beliebt. Er musste aber mit ansehen, wie die Mohring’sche Wahlkampfmaschine ihm in den letzten Wochen den einst komfortablen Vorsprung in den Umfragen weggebaggert hat. Eine aktuelle Erhebung – sie stammt von der Forschungsgruppe Wahlen – sieht die CDU bei 26 Prozent, die Linke bei 28 Prozent. Ramelow muss damit um die Mehrheit für seine Partei bangen. Fraglich ist zudem, ob es für die Fortsetzung von Rot-Rot-Grün in Erfurt reicht. Den Umfragen zufolge – die SPD liegt bei neun, die Grünen liegen bei sieben bis acht Prozent – könnte es gerade so hinhauen. Beruhigend für Linke wie CDU: Die AfD liegt bei 21 Prozent und würde demnach beide Parteien nicht überholen können.
Den Ausschlag gibt am Ende aller Voraussicht nach eine Partei, die es vor fünf Jahren nicht in den thüringischen Landtag geschafft hatte. Die FDP kann sich Hoffnung machen, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Die Liberalen haben für diesen Fall bereits angekündigt, dass sie nicht mit den Linken zusammenarbeiten werden. Eine solche Koalition lehnt auch die CDU ab. Es könnte also auf ein Bündnis hinauslaufen, für das in Anlehnung an Jamaika oder Kenia die Flagge von Simbabwe als Namensgeber dient: Schwarz-Rot-Grün-Gelb, wobei Rot hier für die SPD steht.
Angesichts all dieser zwar denkbaren, aber wackeligen Möglichkeiten kommt eine zusätzliche Variante ins Spiel, die aber nicht unbedingt Stabilität verspricht. Mohring hat die Tolerierung einer von Ramelow angeführten Minderheitsregierung zwar schon ausgeschlossen. Die
FDP könnte hier aber, wenn sie reinkommt, zum Königsmacher werden und eine Minderheitsregierung unter Ramelow dulden, wenn der Linke ein paar liberale Positionen ins Regierungsprogramm aufnehmen würde, wie es heißt.
Bundespolitisch kommt der Wahl in Thüringen einige Bedeutung zu, auch wenn dies die Vorsitzenden der großen Parteien erwartungsgemäß herunterspielen werden. So steht die AfD kurz davor, ihr Ergebnis von der letzten Wahl mindestens zu verdoppeln. Nachdem ihr das in Brandenburg auch schon gelungen ist und in Sachsen am Ende gar eine Verdreifachung des Ergebnisses auf dem Zettel stand, wird Thüringen die Debatte über die Zukunft der Volksparteien in Deutschland befeuern. Vor allem, weil die Thüringer AfD von Björn Höcke als Spitzenkandidat geführt wird, der von rechtsnationalen Umwälzungen träumt – das Verwaltungsgericht Meiningen erklärte jüngst in einem Urteil, dass die Agenda des früheren Geschichtslehrers faschistisch genannt werden dürfe.
CDU und SPD müssen sich bei der Landtagswahl im Vergleich zu 2014 auf empfindliche Stimmenverluste einstellen: Bei der SPD wirft dies sogar Fragen nach dem Volksparteien-Status auf. Für die Sozialdemokraten könnte es sogar doppelt dicke kommen. Sie schließen am Samstagabend ihren ersten Wahlgang auf dem Weg zu einer neuen Doppelspitze ab. Welche Kandidatenpaare vorne liegen werden und in die Stichwahl kommen, ist völlig ungewiss. Womöglich droht der SPD aber unabhängig davon ein Desaster: Denn die Wahlbeteiligung ist, so heißt es übereinstimmend in Parteikreisen, bislang sehr schlecht, von 40 Prozent war zuletzt die Rede. Sicherlich werden es noch ein paar Prozent mehr werden, aber die Lage für die SPD wäre bedrückend, wenn nicht zum Schluss noch ein Riesenschwung Post von Spätentscheidern im Briefkasten landet.
Umfragen sagen CDU und SPD Verluste vorher