Guenzburger Zeitung

Hartes Wochenende für die Koalition

Bange Tage für Union und SPD: Die Landtagswa­hl in Thüringen könnte eine komplizier­te Regierungs­bildung nach sich ziehen, und den Sozialdemo­kraten droht bei der Urwahl ein Debakel

- VON STEFAN LANGE

Berlin Er macht es gerade wie Michael Kretschmer: Unermüdlic­h tourt Mike Mohring durch Thüringen, um zur Landtagswa­hl am Sonntag das Ruder für seine CDU noch herumzurei­ßen. Der thüringisc­he Landeschef ist dabei dem sächsische­n CDU-Mann Kretschmer nicht unähnlich. Auch der hatte bis zuletzt Gas gegeben, den direkten Kontakt mit dem Wahlvolk gesucht und so schlechte Umfragewer­te und vor allem eine drohende Niederlage gegen die AfD noch in einen Wahlsieg ummünzen können. Mit der Art, Wahlkampf zu machen, hören die Gemeinsamk­eiten zwischen Sachsen und Thüringen aber auch schon auf. Denn Mike Mohring hat, selbst wenn er gewinnt, eine ungleich schwierige­re Gemengelag­e als Kretschmer zu bewältigen.

Kretschmer verhandelt in Sachsen gerade mit SPD und Grünen über die Bildung einer neuen Regierung. Diese sogenannte Kenia-Koalition ist an sich zwar noch ungewohnt, aber in Zeiten, in denen – vor allem durch das Aufblühen der AfD – Zwei-Parteien-Koalitione­n immer schwierige­r werden, müssen sich Parteien an Dreier-Packs gewöhnen. Mindestens. Denn in Thüringen kann es noch komplizier­ter werden. Die spannendst­e Frage mit

Blick auf die künftige Regierung in Thüringen ist, ob sich Ministerpr­äsident Bodo Ramelow von der Linksparte­i im Amt halten kann.

Der gebürtige Wessi ist im östlichen Freistaat sehr beliebt. Er musste aber mit ansehen, wie die Mohring’sche Wahlkampfm­aschine ihm in den letzten Wochen den einst komfortabl­en Vorsprung in den Umfragen weggebagge­rt hat. Eine aktuelle Erhebung – sie stammt von der Forschungs­gruppe Wahlen – sieht die CDU bei 26 Prozent, die Linke bei 28 Prozent. Ramelow muss damit um die Mehrheit für seine Partei bangen. Fraglich ist zudem, ob es für die Fortsetzun­g von Rot-Rot-Grün in Erfurt reicht. Den Umfragen zufolge – die SPD liegt bei neun, die Grünen liegen bei sieben bis acht Prozent – könnte es gerade so hinhauen. Beruhigend für Linke wie CDU: Die AfD liegt bei 21 Prozent und würde demnach beide Parteien nicht überholen können.

Den Ausschlag gibt am Ende aller Voraussich­t nach eine Partei, die es vor fünf Jahren nicht in den thüringisc­hen Landtag geschafft hatte. Die FDP kann sich Hoffnung machen, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Die Liberalen haben für diesen Fall bereits angekündig­t, dass sie nicht mit den Linken zusammenar­beiten werden. Eine solche Koalition lehnt auch die CDU ab. Es könnte also auf ein Bündnis hinauslauf­en, für das in Anlehnung an Jamaika oder Kenia die Flagge von Simbabwe als Namensgebe­r dient: Schwarz-Rot-Grün-Gelb, wobei Rot hier für die SPD steht.

Angesichts all dieser zwar denkbaren, aber wackeligen Möglichkei­ten kommt eine zusätzlich­e Variante ins Spiel, die aber nicht unbedingt Stabilität verspricht. Mohring hat die Tolerierun­g einer von Ramelow angeführte­n Minderheit­sregierung zwar schon ausgeschlo­ssen. Die

FDP könnte hier aber, wenn sie reinkommt, zum Königsmach­er werden und eine Minderheit­sregierung unter Ramelow dulden, wenn der Linke ein paar liberale Positionen ins Regierungs­programm aufnehmen würde, wie es heißt.

Bundespoli­tisch kommt der Wahl in Thüringen einige Bedeutung zu, auch wenn dies die Vorsitzend­en der großen Parteien erwartungs­gemäß heruntersp­ielen werden. So steht die AfD kurz davor, ihr Ergebnis von der letzten Wahl mindestens zu verdoppeln. Nachdem ihr das in Brandenbur­g auch schon gelungen ist und in Sachsen am Ende gar eine Verdreifac­hung des Ergebnisse­s auf dem Zettel stand, wird Thüringen die Debatte über die Zukunft der Volksparte­ien in Deutschlan­d befeuern. Vor allem, weil die Thüringer AfD von Björn Höcke als Spitzenkan­didat geführt wird, der von rechtsnati­onalen Umwälzunge­n träumt – das Verwaltung­sgericht Meiningen erklärte jüngst in einem Urteil, dass die Agenda des früheren Geschichts­lehrers faschistis­ch genannt werden dürfe.

CDU und SPD müssen sich bei der Landtagswa­hl im Vergleich zu 2014 auf empfindlic­he Stimmenver­luste einstellen: Bei der SPD wirft dies sogar Fragen nach dem Volksparte­ien-Status auf. Für die Sozialdemo­kraten könnte es sogar doppelt dicke kommen. Sie schließen am Samstagabe­nd ihren ersten Wahlgang auf dem Weg zu einer neuen Doppelspit­ze ab. Welche Kandidaten­paare vorne liegen werden und in die Stichwahl kommen, ist völlig ungewiss. Womöglich droht der SPD aber unabhängig davon ein Desaster: Denn die Wahlbeteil­igung ist, so heißt es übereinsti­mmend in Parteikrei­sen, bislang sehr schlecht, von 40 Prozent war zuletzt die Rede. Sicherlich werden es noch ein paar Prozent mehr werden, aber die Lage für die SPD wäre bedrückend, wenn nicht zum Schluss noch ein Riesenschw­ung Post von Spätentsch­eidern im Briefkaste­n landet.

Umfragen sagen CDU und SPD Verluste vorher

 ?? Foto: Schutt, dpa ?? Werbung für Wahlbeteil­igung in Thüringen: Rot-Rot-Grün, Simbabwe-Koalition oder Minderheit­sregierung? Die Mehrheiten sind laut Umfragen unklar.
Foto: Schutt, dpa Werbung für Wahlbeteil­igung in Thüringen: Rot-Rot-Grün, Simbabwe-Koalition oder Minderheit­sregierung? Die Mehrheiten sind laut Umfragen unklar.

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