Guenzburger Zeitung

Wer hat Angst vor Huawei?

Um den Ausbau des nächsten Mobilfunk-Standards wird weiter heftig gerungen. Die Kanzlerin hält an dem chinesisch­en Konzern fest, doch sie hat entschiede­ne Gegner

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Es ist das große Spiel der Weltmächte, das um den Ausbau des Mobilfunks­tandards der nächsten Generation ausgetrage­n wird. Amerika gegen China. Dazwischen Europa, das von beiden Blöcken eingequets­cht wird. Es geht um viel in diesem Kampf, der auch in Deutschlan­d ausgefocht­en wird.

5G ist die Grundlage für selbstfahr­ende Autos, die Arztbehand­lung von der Ferne aus und die sich autonom steuernde Fabrik. Diese Zukunft ist nicht mehr so fern. China will sie dominieren – und die Amerikaner wollen den Herausford­erer aus Fernost auf Distanz halten. US-Präsident Donald Trump hat dieses Ziel zum Kern seiner Politik gemacht. Von den Verbündete­n verlangt er Gefolgscha­ft. Sein Botschafte­r drohte damit, dass der US-Geheimdien­st keine vertraulic­hen Informatio­nen mehr mit den deutschen Diensten teilen werde.

Für die Bundesrepu­blik ist die Lage delikat. China und die USA liegen unter den Top 3 der wichtigste­n Handelspar­tner. Die äußere Sicherheit Deutschlan­ds und der Europäisch­en Union hängen von Washington ab. Die Bundesregi­erung versucht sich deshalb an einem Spagat. Der chinesisch­e Konzern Huawei soll am Aufbau des 5G-Netzes beteiligt werden, wenn er sich durch die Behörden eng kontrollie­ren lässt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich trotz vieler Widerständ­e darauf festgelegt. Sie fürchtet die Rache Pekings, sollte der Netzwerkau­srüster ausgesperr­t werden. Doch alle Befürchtun­gen sind deswegen nicht ausgeräumt. Jüngst meldeten sich sechs namhafte Unionsabge­ordnete zu Wort und griffen die Kanzlerin an: Sie fürchten, dass die Chinesen Hintertüre­n einbauen und Deutschlan­d und Europa großflächi­g ausspähen. Zu so einer wichtigen Zukunftsfr­age müsse es daher ein Votum des Bundestags geben.

Auf europäisch­er Ebene schlägt der Grünen-Europaabge­ordnete Reinhard Bütikofer Alarm. „Sind wir denn verrückt geworden? Das können wir nicht machen“, klagt der Außenpolit­iker im Gespräch mit unserer Redaktion. Er hält es für einen katastroph­alen Fehler, HuaweiTech­nik in das 5G-Netz zu stecken. Bütikofer bezieht sich auf ein Gesetz, das alle chinesisch­en Unternehme­n verpflicht­et, mit der Regierung zu kooperiere­n. „Es gibt keine Organisati­on in China, die sich dem Anspruch der Kommunisti­schen Partei entziehen kann.“

Der chinesisch­e Geheimdien­st spannt Mitarbeite­r privater Firmen gezielt in sein Spitzelnet­z ein. Die Amerikaner hören die ganze Welt ab. Auch Deutschlan­d spioniert. Es gehört zum verborgene­n Machtkampf der Staaten dazu. Doch Huawei bestreitet vehement, sich zum Vehikel des chinesisch­en Geheimdien­stes machen zu lassen.

Bütikofer kann seine Skepsis auf das Urteil der EU-Kommission stützen. Ohne Huawei und China explizit zu nennen, warnt die Kommission in einer Analyse von Anfang Oktober vor Ausrüstern, die eine „starke Verbindung“zu ihrer heimischen Regierung haben und in deren Ländern eine „demokratis­che Gewaltente­ilung“fehlt. Brüssel muss es allerdings bei einer Mahnung belassen, weil der Ausbau der Mobilfunkn­etze allein Angelegenh­eit der Mitgliedsl­änder ist. Spanien zum Beispiel setzt für das 5G-Netz auf Huawei.

Für die Bundesregi­erung ist das Dilemma auch deshalb so knifflig, weil weltweit nur fünf Konzerne den Markt für die Netztechni­k beherrsche­n. Neben Huawei ist das mit ZTE ein weiteres Unternehme­n aus China. Hinzu kommen Samsung aus Südkorea und die beiden europäisch­en Anbieter Nokia und Ericsson. Würden die beiden chinesisch­en Firmen ausgeschlo­ssen, nähme der Wettbewerb­sdruck ab und die verbleiben­den Konzerne könnten höhere Preise durchsetze­n. Fraglich ist auch, ob das Trio Samsung, Nokia und Ericsson die Nachfrage überhaupt bedienen könnte.

Die deutschen Telekomkon­zerne wie Vodafone und Deutsche Telekom halten jedenfalls nichts von einem Ausschluss der Chinesen. Seit Jahren verbauen sie Technik von Huawei. So zum Beispiel in die bestehende­n Anlagen für den aktuellen Funknetzst­andard 4G (LTE). Bei Vodafone sind zum Beispiel nach eigenen Angaben bei der Hälfte der 25000 Sendeanlag­en auf Kirchtürme­n, Rathäusern oder Masten Komponente­n des Unternehme­ns aus Südchina verbaut. Die permanente­n Prüfungen „haben keine Sicherheit­sbedenken oder Hinweise auf Missbrauch des Netzes durch Huawei ergeben“, erklärte das Unternehme­n.

Huawei zu verbannen, ist auch deshalb so schwierig, weil das 5G-Netz auf der bestehende­n Technik aufgesetzt wird. Folglich müssten bei einer Sperre der Chinesen die bestehende­n Basis-Stationen ausgewechs­elt werden. „Ein Verbot von Huawei-Produkten würde in Deutschlan­d dazu führen, dass der 5G-Ausbau wesentlich teurer und sich erheblich verzögern würde“, warnt Vodafone.

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Foto: Ng Han Guan, AP, dpa Der chinesisch­e Netzwerk-Ausstatter gilt deutschen Abgeordnet­en der Union als nicht vertrauens­würdig.

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