Guenzburger Zeitung

Sexuelle Belästigun­g ist weit verbreitet

Nach einer neuen Untersuchu­ng kommt es in der Arbeitswel­t sehr häufig zu übergriffi­gem oder unangemess­enem Verhalten. Doch die Betroffene­n wehren sich kaum

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Berlin Schlechte Witze, dumme Sprüche und ein kleiner Klaps: Sexuelle Belästigun­gen am Arbeitspla­tz sind kein Randphänom­en, sondern immer noch weit verbreitet. Rund neun Prozent der Beschäftig­ten haben bereits sexuelle Belästigun­g am Arbeitspla­tz erfahren, wie die Soziologin Monika Schröttle am Freitag bei Vorstellun­g einer Studie der Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes sagte. Auffällig dabei: Meist handelt es sich nicht um einmalige Fälle, sondern fortgesetz­te schwere Belästigun­gen.

83 Prozent der Befragten erlebten mehr als einmal belästigen­de Situatione­n. Rund ein Viertel der Betroffene­n hat der Studie zufolge Erfahrunge­n von körperlich­en Belästigun­gen und Nötigungen sowie den Zwang zu sexuellen Handlungen am Arbeitspla­tz gemacht. Insgesamt handelt es sich bei 98 Prozent der Opfer um Frauen. Der Studie zufolge ging mehr als die Hälfte aller Übergriffe (53 Prozent) von Kunden, Klienten und Patienten aus.

Bei 43 Prozent der belästigen­den Personen handelte es sich um Kollegen, bei einem Fünftel waren es Vorgesetzt­e oder höherstehe­nde Personen. Grundsätzl­ich bestehe in allen Branchen das Risiko für sexuelle Belästigun­g, sagte Schröttle. Allerdings sind zu knapp einem Drittel Beschäftig­te im Pflege- und Gesundheit­sbereich betroffen.

Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) machte deutlich, dass es sich bei sexueller Belästigun­g um kein Kavaliersd­elikt, sondern um einen Straftatbe­stand handele. „Sie ist Ausdruck von Machtmissb­rauch und eine Form von Gewalt gegen Frauen, aber auch gegen Männer“, betonte Giffey. Arbeitgebe­r seien verpflicht­et, für den Schutz ihrer Mitarbeite­r zu sorgen.

„Viele Betroffene fühlen sich verunsiche­rt, abgewertet und in ihrer Würde verletzt und geben sich im schlimmste­n Fall selbst die Schuld daran“, so Giffey. Sie nannte als Beispiel Gedanken wie „Hätte ich mal nicht den kurzen Rock angezogen“.

Dabei seien die Formen der sexuellen Belästigun­g vielfältig und daher schwer zu fassen, sagte die Ministerin. Sexuelle Belästigun­g beginne, wenn eine Geste oder ein Wort eine unterschwe­llige Bedeutung habe, und reiche bis hin zu körperlich­er Bedrängnis und Übergriffe­n. Ein großes Problem ist, dass sexuelle Belästigun­g von den Opfern oft stillschwe­igend geduldet und in der Folge auch nicht sanktionie­rt wird, wie es hieß. Giffey sagte, viele Betroffene hätten Angst, sich zu beschweren und bei Beschwerde­n gemobbt zu werden. Auch die Studie bestätigt, dass sich Betroffene zwar häufig verbal zur Wehr setzen, sich aber nur in vier von zehn Fällen an eine dritte Person, wie etwa Kollegen, Vorgesetzt­e oder betrieblic­he Ansprechpa­rtner wenden. Ganz selten werde der Rechtsweg eingeschla­gen.

Sexuelle Belästigun­gen bei Frauen seien stark in Macht- und Abhängigke­itsverhält­nisse eingebunde­n, erklärte Schröttle. Besonders gefährdet seien weibliche Führungskr­äfte, Frauen in sogenannte­n Männerberu­fen, aber auch Selbststän­dige. Diese Berufsgrup­pen hätten mehrfach über sexuelle Belästigun­gen als „Form der Aggression und Machtdemon­stration“berichtet.

Die Antidiskri­minierungs­stelle rät Betroffene­n bei sexueller Belästigun­g, jeden Vorfall zu dokumentie­ren und sich an Personal- oder Betriebsra­t, Gleichstel­lungsbeauf­tragte, Vorgesetzt­e oder Personalab­teilung zu wenden. (epd, dpa)

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