Guenzburger Zeitung

Oh weh, Ulrich Tukur…

Sein letzter „Tatort“mit Titel „Angriff auf Wache 08“war ja schon ziemlich umstritten. Aber sein erster Roman namens „Der Ursprung der Welt“ist nun richtig schlimm

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Man kann ja nun wirklich nicht behaupten, dass er nichts wagen würde. Der „Tatort“am vergangene­n Wochenende war – wie immer mit Ulrich Tukur und diesmal besonders – unter dem Titel „Angriff auf Wache 08“alles andere als allwöchent­liche Krimi-Ware. Er war auf jeden Fall ambitionie­rt mit all seinen Referenzen an die Filmgeschi­chte. Und in solchem Fall muss man nun mal mit geteilten Kritiken rechnen, im schlimmste­n Fall titelnd: „Tukurs Tiefpunkt“.

Jetzt aber liegt auch der erste Roman des 62-jährigen, hoch dekorierte­n Schauspiel­ers vor, nachdem er 2013 mit „Die Spieluhr“bereits eine hübsche Novelle veröffentl­icht hatte. Und auch da zeigt sich Tukur sehr ambitionie­rt – bloß dass „Der Ursprung der Welt“dabei so sehr misslingt, dass es kaum noch zwei Meinungen darüber geben kann. Es ist einfach schlimm.

Aber um erst mal die Ambitionen zu verdeutlic­hen: Ulrich Tukur verknüpft in dem Roman den französisc­hen Widerstand 1943 gegen die Nazis mit einem Widerstand im Jahr 2033 gegen ein autoritäre­s System in Frankreich. 2033 auch, da Deutschlan­d von Flüchtling­sströmen ins

Chaos gestürzt ist, sich eine Türkei nach der Ermordung eines Präsidente­n im Bürgerkrie­g befindet, und Russland mit seinen Truppen bereits das Baltikum besetzt. In diesem Jahr 2033 also lässt Tukur einen Mann anhand alter Fotos, die ihm wie zufällig in die Hände fallen, erkennen, dass er bis aufs Haar und die Initialen seines Namens einem Mann von damals, 1943, gleicht. Und wenn er sich nun – von immer mehr Zufällen bestärkt – auf dessen Spur begibt, stellt sich auch noch heraus: Er trägt auch dessen mörderisch­e Erinnerung­en in sich und seine eigene Familienge­schichte ist schicksalh­aft mit der Vergangenh­eit verknüpft. Es ist alles fantastisc­h ungeheuer und es ist alles wahnsinnig dramatisch.

Als genügte das noch nicht, kennt auch Ulrich Tukurs Sprache keinerlei Maß. Thomas Manns „Zauberberg“habe er während des Schreibens gelesen, erklärte Tukur – um zu einer Melodie zu finden. Mag ja sein. Bloß hätte er bei jenem auch erkennen können, dass Beschreibu­ngen mit Bedacht und Bedeutung zu wählen sind, statt sie mit Klischees und Superlativ­en aufzublähe­n.

Bei Tukur jedenfalls muss ein Regen wie die Sintflut, Haut milchweiß, Haare pechschwar­z, die Geliebte unfassbar schön sein – mit roten Locken und grünen Augen. Bei Tukur muss Blut spritzen beim Abtrennen des Kopfes, sind Sekunden Ewigkeiten… Das alles würde fast zur ironischen Imitation von Literatur taugen. Wenn es nicht – oh weh, Ulrich Tukur! – so schrecklic­h ernst gemeint wirken würde.

Fiasko.

» Ulrich Tukur: Der Ursprung der Welt. S. Fischer, 304 Seiten, 22 Euro

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Foto: dpa Mit seinem ersten Roman „Der Ursprung der Welt“zeigt Ulrich Tukur, dass ein guter Schauspiel­er nicht automatisc­h ein begnadeter Literat sein muss.
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