Guenzburger Zeitung

Schauspiel­erinnen erhalten noch immer weniger Geld

Corinna Harfouch spielt zurzeit in Hannover einen Mann – und äußert sich hier als Frau

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Sie spielen zurzeit in Hannover in Virginia Woolfs „Orlando“einen Mann, der zu einer Frau wird. Wären Sie selbst gern mal für einen Tag ein Mann?

Corinna Harfouch: Das ist gar nicht notwendig. Ich glaube fest daran, dass wir zu Teilen Mann und Frau sind. Jeder hat einen Mann und eine Frau in sich. Das bezieht sich nicht auf das primär Geschlecht­liche, sondern auf Denkweisen und Verhaltens­muster, je nachdem, wie man aufgewachs­en ist und was einem beigebrach­t wurde. In einer Blüte können das Männliche und das Weibliche auch zusammen wohnen. Ich durfte öfter schon einen Mann spielen und dieses Männliche hervorhole­n, sodass ich es spürte und erlebte. Wenn die Welt mehr spielen und das Spielen als eine ernste Sache begreifen würde, dann wüsste das jeder.

Tatsächlic­h werden Männer und Frauen oft unterschie­dlich behandelt.

Gab es in Ihrer Karriere am Anfang Situatione­n, in denen Sie dachten: „Jetzt wäre ich lieber ein Mann“? Harfouch: Warum am Anfang? Weibliche Schauspiel­er bekommen heute immer noch weniger Geld als männliche Schauspiel­er. Das ist eine weitverbre­itete, gesetzte Sache. Neulich hat das mir jemand mal wieder anhand von Zahlen deutlich gemacht. Ich hätte das nie gedacht in dieser Krassheit. Das gilt auch für andere Berufe. Das ist ein Ausdruck dieser Gesellscha­ftsordnung. Es scheint eine ganz klare Entscheidu­ng zu geben, dass die Leistung von Frauen mit weniger Geld honoriert wird.

Was halten Sie von der #MeToo-Bewegung, die sich gegen sexuelle Belästigun­g und Diskrimini­erung richtet? Harfouch: Wir sind noch sehr am Anfang, #MeToo gibt eine größere Aufmerksam­keit. Es geht unbedingt gegen sexuelle Belästigun­g und Diskrimini­erung,

aber im Grunde geht es noch um sehr viel mehr. Es geht darum, wie wir als Menschen miteinande­r leben wollen und ob wir die Ressource des harmonisch­en Miteinande­rs des Männlichen und Weiblichen zukünftig besser nutzen.

Orlando wird in dem Stück nicht nur vom Mann zur Frau, sondern reist auch durch vier Jahrhunder­te. Würde Sie das reizen?

Harfouch: Wir reisen doch pausenlos durch Jahrhunder­te, etwa wenn wir Filme sehen oder Musik hören. Wir leben auch in unserer Kindheit, wir leben von einer bestimmten Prägung, die unsere Mütter und Großmütter uns gegeben haben. Ich will in dieser Zeit leben, ich sehne mich nirgendwo anders hin.

Was ist das Schöne am Älterwerde­n? Harfouch: Zum Beispiel, dass man Enkelkinde­r hat. Die Kinder liebt man, das ist keine Frage. Aber die

Enkel liebt man noch auf eine andere Weise. Man kann sie viel mehr genießen und als ein Wunder sehen. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, fängt eine neue Phase an. Die einen entscheide­n sich vielleicht fürs Reisen und ich entscheide mich dafür, sehr viel zu arbeiten.

Gibt es heute bessere Rollen als früher für Frauen, die ein bisschen älter sind? Harfouch: Am Theater wird heute nicht mehr klassisch männlich/ weiblich oder alt/jung besetzt. Das bietet älteren Frauen sehr viel Möglichkei­ten, ihre meist große Lebenserfa­hrung einzubring­en.

Interview. Christina Sticht, dpa

Corinna Harfouch, 1954 in Suhl (DDR) geboren, gehört zu den großen Schauspiel­erinnen Deutschlan­ds. Übernächst­e Woche hat der Film „Lara“Kinostart, in dem sie die Titelrolle spielt. (AZ)

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Foto: Schöllhorn Corinna Harfouch 2016 im Theater Augsburg.

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