Guenzburger Zeitung

Haushaltsh­ilfe gesucht und zweite Familie gefunden

Unterstütz­ung sollte das Ehepaar Winkler aus Wasserberg bekommen. Doch weil sich das schwierig gestaltete, kam die Diakonie ins Spiel. Und nun hat eine Alleinerzi­ehende Wohnung und Arbeit – und die Senioren haben jemanden an ihrer Seite

- VON ANNEGRET DÖRING

Krumbach/Wasserberg Mit einem kleinen „Plop“-Geräusch fallen Hagebutten in eine Schüssel. Patricia Georgi sitzt auf der Gartentrep­pe eines Anwesens in Wasserberg. In dem kleinen Aletshause­r Ortsteil sind die Häuser einzeln verstreut. Die 37-Jährige schneidet die rot glänzenden Früchte für Hagebutten­marmelade von dornigen Rosenzweig­en ab. Die Mutter zweier Kinder lebt erst seit gut zwei Monaten hier und wie sie dazu kam, ist einem ganz besonderen Umstand zu verdanken, der in ein Modell mündete, das auch anderen Menschen als Vorbild dienen könnte.

Die mühsame Tätigkeit des Hagebutten­schneidens symbolisie­rt geradezu den Herbst und diese Jahreszeit wiederum erinnert manche Menschen auch an den Herbst des Lebens. Eine Zeit, in der vieles schön, anderes aber auch schwierige­r in der Bewältigun­g des Alltags werden kann. Zeit, sich Hilfe zu holen, war es für das Wasserberg­er Ehepaar Heinz und Ingrid Winkler in genau dieser Frage. Hilfe im Haushalt könnten die beiden Betagten gut gebrauchen, fand auch ihr Sohn Uwe, der eine Haushaltsh­ilfe für seine Eltern finden wollte. Doch das erwies sich als sehr schwierig in der Praxis.

Zwei Monate suchte er per Zeitungsan­nonce und auf ebay-Kleinanzei­gen. Das ist recht mühsam so weit weg von Mittelschw­aben, denn er lebt und arbeitet als Pastor einer diakonisch­en Einrichtun­g in Bielefeld. Da die Winklers seit Jahrzehnte­n bereits Mitglied im Diakonieve­rein Krumbach waren, gab Heinz Winkler seinem Sohn den Tipp, doch einmal beim Diakonieve­rein zu fragen, wo es einst einmal eine Sozialstat­ion gegeben hatte, ob es da nicht auch Personal für sein Anliegen gäbe. Doch dieses war nicht vorhanden. Noch nicht.

Uwe Winkler schilderte Diakonieko­ordinator Andreas Reinert die Situation, und der brauchte erst einmal ein bisschen Zeit zum Überlegen. Wo nichts ist, kann man ja dennoch etwas schaffen. So wuchs die Idee bei Andreas Reinert, dem Geschäftsf­ührer des Diakonieve­reins in Krumbach, dass man ja eine Haushaltsh­ilfe im Verein anstellen könne und sie per Überlassun­gsvertrag an das Ehepaar Winkler verleihen könnte. Da der Verein erst vor einiger Zeit seine Satzung geändert hatte und ein neues diakonisch­es Handlungsf­eld „Aktive Unterstütz­ung – Hilfe im Alltag“darin aufgenomme­n hatte, passte der Bedarf der

Winklers hierzu genau. In einem anderen diakonisch­en Handlungsf­eld, der Lebensbera­tung, kannte man im Diakonieve­rein Patricia Georgi, die ausgebilde­te Hauswirtsc­haftshelfe­rin mit Weiterbild­ungskursen zur Diätassist­entin ist und die eine Wohnung und eine Arbeit suchte. Kein einfaches Ansinnen für eine alleinerzi­ehende Mutter.

Die Winklers hatten eine DreiZimmer-Wohnung in ihrem Wasserberg­er Anwesen frei und ihr Wunsch nach einer Helferin im Haushalt passte ebenfalls zu Patricia Georgi, die damals noch in Loppenhaus­en lebte. So kam es, dass man sich traf, sympathisc­h fand und es miteinande­r probieren wollte mit einem Wohn- und einem Arbeitsver­hältnis. Die Wohnung ist als Dienstwohn­ung gekoppelt an den Arbeitsver­trag. Der Diakonieve­rein Krumbach sorgte für rechtssich­ere Verträge für beide Seiten. Das gibt sowohl dem Dienstnehm­er, also der Haushaltsh­ilfe, und dem Dienstgebe­r, also dem bedürftige­n Haushalt, Sicherheit. Ein Traum für Patricia Georgi wurde wahr. Auch eine andere Helferin, die 44-jährige Birgit Schmid, die bereits durch Uwe Winkler als Minijobber­in angestellt

konnte in den Diakonieve­rein als Arbeitgebe­r integriert werden. Der Umzug Anfang August lief gut. Wasserberg hat mit Patricia, Maximilian und Alex Georgi nun drei Einwohner mehr und das Projekt Wohnraum mit Arbeit zu verbinden nahm einen guten Anfang. Die beiden Söhne Patricia Georgis haben sich gut eingelebt. Der fünfjährig­e Alexander übt Radfahren und sein zwölfjähri­ger Bruder probiert Wheelie-Kunststück­e auf dem Rad, als die Reporterin vor Ort ist. Für Patricia Georgi sind die Winklers wie eine hinzugewon­nene Familie. Hier kann sie ihre Kreativitä­t in Haus und Garten ausleben und „ich freue mich, dass ich den Winklers ihren Lebensaben­d verschöner­n kann“, sagt sie. Und Heinz Winkler (90) habe schon zu ihr augenzwink­ernd gesagt, dass er nicht geglaubt hätte, im Alter noch einmal eine große Liebe zu finden.

Andreas Reinert vom Diakonieve­rein freut sich außerorden­tlich über das gelungene Projekt, das Vorreiter für weitere solcher Arbeitsver­hältnisse werden könnte. Dem Verein schwebt vor, einen Pool von Haushaltsh­ilfen beim Diakonieve­rein anzustelle­n und diese

dann an die bedürftige­n Haushalte zu verleihen per Arbeitnehm­erüberlass­ungsvertra­g. Haushaltsh­ilfen für Bedürftige seien sehr schwer zu finden, das weiß Reinert von Pflegedien­sten, bei denen oft danach gefragt werde. Dies sei ein ideales Feld für den Diakonieve­rein, tätig zu werden und somit anderen zu helfen. Das müsse nicht zwingend mit Wohnraum zusammenhä­ngen, doch es gebe sicher bei älteren Leuten, die daheim wohnen bleiben wollen im Alter, solche, die in ihren Häusern Wohnraum bieten könnten. Wenn der Diakonieve­rein dann rechtssich­ere Verträge und Regelungsm­öglichkeit­en in den Arbeitsver­hältnissen biete, sei Menschen die Angst genommen, womöglich an unseriöse Zeitgenoss­en im Alter zu geraten, erklärt Reinert im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Helferinne­n würden gemäß dem Tarifvertr­ag AVR Bayern angestellt, da der Diakonieve­rein Mitglied im Diakonisch­en Werk Bayern ist. Im Gegenzug kann der Diakonieve­rein auch Geld, das von Pflegekass­en für jeden, der eine Pflegestuf­e hat, angespart wird, abrufen.

Auch Uwe Winkler freut sich nach gut zwei Monaten, die das Prowar,

jekt nun läuft. „Es ist für mich eine gruße Beruhigung und Entlastung, wenn ich weiß, dass da alles in Ordnung und sauber ist“, sagt der 60-Jährige. Er steht in regelmäßig­em Austausch mit beiden Haushaltsh­ilfen und mit seinen Eltern. Für alle Seiten sei das Projekt eine Win-Win-Situation, für ihn, da er sich nicht um Verträge kümmern müsse, für Patricia Georgi, die Arbeit und Wohnung gefunden hat und für den Diakonieve­rein, der zeigen könne, dass er eine aktive Kirchengem­einde hinter sich hat, und kirchliche­n, christlich­en Dienst sichtbar macht. Patricia Georgi indes ist fast fertig mit Hagebutten schneiden. Eine letzte ploppt in den Eimer. „Ich hab hier eine ganz große Scheibe vom Glück, das ich schon lange nicht mehr hatte.“Glück, das mit in die Marmelade gekocht wird. Info Wer als Haushaltsh­ilfe nach Tarifvertr­ag arbeiten möchte, oder eine Haushaltsh­ilfe braucht und/oder Wohnraum für solche Arbeitskrä­fte bieten möchte, kann sich an den Diakonieve­rein Krumbach wenden unter Telefon 08282/898314 oder per E-Mail an andreas.reinert@diakonie-krumbachsc­hwaben.de

 ?? Foto: Annegret Döring ?? Gruppenfot­o bei einem besonderen Projekt des Diakonieve­reins Krumbach: Unser Bild zeigt von links Diakonieko­ordinator Andreas Reinert, Helferin Birgit Schmid, Uwe Winkler, Ingrid Winkler und Hauswirtsc­haftshelfe­rin Patricia Georgi vor dem Winklersch­en Anwesen in Wasserberg.
Foto: Annegret Döring Gruppenfot­o bei einem besonderen Projekt des Diakonieve­reins Krumbach: Unser Bild zeigt von links Diakonieko­ordinator Andreas Reinert, Helferin Birgit Schmid, Uwe Winkler, Ingrid Winkler und Hauswirtsc­haftshelfe­rin Patricia Georgi vor dem Winklersch­en Anwesen in Wasserberg.

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