Der Golf wird zum Revolutionär
Das Design hat sich kaum verändert, aber was die Technik betrifft, hat VW den Bestseller neu erfunden. Generation 8 kommt mit allen Segnungen der Digitalisierung bis hin zur nachträglichen Extra-Bestellung per App
Über Jahrzehnte hinweg hat sich der VW Golf seinen Ruf als Ur-Meter des Automobilbaus erarbeitet. Doch wie das Norm-Kilogramm in einem Pariser Tresor, das jüngst einer neuen Definition weichen musste, braucht auch der Golfstandard auf vier Rädern hin und wieder eine kleine Auffrischung. Nach sieben Jahren ist die Zeit reif für den Golf 8, der dieser Tage in Wolfsburg präsentiert wurde.
Wer, nachdem VW-Designer Klaus Bischoff beim Stromer ID.3 fast schon avantgardistisch ans Werk gegangen ist, einen radikalen Designwandel erwartet hat, wird enttäuscht. Der nur mehr viertürig erhältliche Golf bleibt seiner Linie treu: Vielleicht ein bisschen markanter, die Nase etwas dynamischer, die Lichter schärfer, die Seitenlinie flotter, doch am Ende noch ganz der Alte – so präsentierte sich der Golf dem neugierigen Premierenpublikum. Auch die erste Sitzprobe überzeugt: Obwohl die Dachlinie etwas flacher abfällt, reisen selbst ZweiMeter-Gäste vorne wie hinten komfortabel.
Die Bedienung orientiert sich stark am Smartphone
Mag die Revolution im Blechkleid ausgeblieben sein, in Sachen Technik hat sie stattgefunden: Der noch in diesem Jahr erhältliche Golf bekommt ein komplett neues, digitales Kombiinstrument, ein Head-upDisplay und eine neue Infotainment-Generation, die sich stark an der Bedienung von Smartphones orientiert. Ein Highlight: Per Fingerstreich auf einer Slider-Fläche lassen sich Temperatur, Lautstärke und das Schiebedach bedienen.
Alternativ hört der Golf jetzt auch auf das Kommando „Hallo Volkswagen“, dann steht der Sprachassistent Gewehr bei Fuß. Das System erkennt sogar, ob Fahrer oder Beifahrer mit ihm sprechen und kann den Befehl „mir ist kalt“direkt an der richtigen Seite umsetzen. Klassische Schalter gibt es kaum mehr, zwei kleine Bedienfelder finden sich noch unter dem Touchscreen für die
wichtigsten Funktionen und links vom Lenkrad, wo Tasten den klassischen Licht-Drehschalter ersetzen.
Dass der Golf online ist, versteht sich von selbst. Erstmals kommuniziert er aber per Car2-X-Technik jetzt auch im Umkreis von bis zu 800 Metern mit anderen Autos und der Verkehrsinfrastruktur – wenn diese das unterstützen. Dann kann der Fahrer zum Beispiel schon vor einer Baustelle oder einem Stauende gewarnt werden, ehe er es selbst sehen kann.
Ein anderer Vorteil der Digitalisierung: Wer sich mit seiner Volkswagen-ID im System anmeldet,
kann auch in jedem anderen Golf, etwa einem Mietwagen, seine kompletten Einstellungen vom Lieblingsradiosender bis zum Ambientelicht abrufen.
Und: Wer vergisst, die bunten Stimmungsleuchten beim Kauf anzukreuzen, kann dies zukünftig über einen App-Store direkt im Auto nachholen. Das nachträgliche Zukaufen funktioniert auch schon mit diversen Assistenzsystemen wie dem Abstandstempomat, der Verkehrszeichenerkennung oder dem Fernlichtautomaten; weitere Funktionen sollen nach und nach hinzugefügt werden.
Für die Matrix-Scheinwerfer mit umfangreichen Leucht-Funktionen muss man sich dagegen von Anfang an entscheiden, und tut man dies nicht, fährt der Golf sogar noch mit zwei ganz konventionellen Glühbirnchen in den vorderen Blinkern vor; Abblend- und Fernlicht arbeiten aber immer mit LED-Technik.
Fast schon unspektakulär wirkt in Anbetracht der ganzen Hightech die Motorenpalette: Einen reinen E-Antrieb sieht VW derzeit nicht vor, dafür ist jetzt der ID.3 zuständig. Zur Wahl stehen vier Drei- und Vierzylinder-Benziner von 90 PS (wahrscheinlich wieder ab rund
20000 Euro) bis 150 PS; die drei stärkeren gibt es in Kombination mit dem Doppelkupplungsgetriebe auch mit 48-Volt-Unterstützung, die beim Spritsparen hilft.
Die beiden Zweiliter-Diesel leisten 115 und 150 PS, später folgen noch der GTD und – bei den Ottos – der GTI mit bis zu 300 PS. Auf der Sparseite hat VW sein Angebot an Plug-in-Hybriden ausgebaut, neben dem GTE mit 245 PS gibt es den Golf jetzt auch als 204-PS-Doppelherzler. Beide haben eine 13-kWhBatterie an Bord, die elektrische Reichweiten von deutlich über 50 Kilometern ermöglichen soll.