Wird Thüringen jetzt unregierbar?
Ramelow gewinnt die Wahl, doch die Koalitionsbildung ist so kompliziert wie nie
Erfurt Nichts geht mehr: Nach der Landtagswahl in Thüringen am Sonntag gibt es keine Mehrheiten für die klassischen Bündnisse. Fest steht immerhin der Sieger, er heißt Bodo Ramelow. Der einzige linke Ministerpräsident Deutschlands hat seinen Amtsbonus genutzt und die Linkspartei zur stärksten politischen Kraft gemacht. Das gab es nie zuvor in einem Bundesland. Seine Koalition steht dennoch vor dem Aus. Das rot-rot-grüne Bündnis hat jedenfalls seine hauchdünne Mehrheit im Parlament verloren.
Die SPD rutschte in den einstelligen Prozentbereich und die Grünen mussten sogar lange um ihren Wiedereinzug in den Landtag zittern. Von ihren Erfolgen im Westen war die Ökopartei auch schon in Brandenburg
und Sachsen weit entfernt geblieben. Der größte Verlierer der Wahl ist allerdings die CDU, die mit ihrem Spitzenkandidaten Mike Mohring nicht nur ihr Ziel verfehlte, die stärkste Fraktion zu bilden, sondern auch ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten kassierte und damit sogar auf den dritten Platz hinter der AfD abstürzte.
Bevor Ramelow vor fünf Jahren an die Macht kam, hatte die CDU seit der Wende immer den Ministerpräsidenten in Thüringen gestellt. Ihr Niedergang hängt auch mit dem Aufstieg der AfD zusammen, die ihr Ergebnis von 2014 mehr als verdoppeln konnte – trotz oder gerade wegen ihres Spitzenkandidaten Björn Höcke, Anführer des rechten Flügels der Partei.
Die Regierungsbildung in Erfurt nun als kompliziert zu bezeichnen, wäre die Untertreibung des Jahres. Durch den starken Zuwachs der Ränder – Linke und AfD kommen zusammen auf mehr als die Hälfte der Sitze – sind die einstmals Große Koalition von CDU und SPD oder ein Jamaika-Bündnis rechnerisch unmöglich. Am Abend mussten die Liberalen bis zum Schluss zittern, ob das Comeback in den Landtag gelingt. Kurz vor Mitternacht stand das Ergebnis fest: die FDP kam auf 5,0005 Prozent.
Da mit der AfD keine der anderen Parteien gemeinsame Sache machen will, hat Ramelow ganz gute Karten, im Amt zu bleiben. Ohne die Linken wird es jedenfalls schwer, eine stabile Regierung zu bilden. Theoretisch machbar wäre neben einem Bündnis der Linkspartei mit der CDU (äußerst ungewöhnlich) auch eine Fortführung von Rot-Rot-Grün als Minderheitsregierung. Rot-RotGrün käme zusammen mit der FDP auf eine knappe Mehrheit von 45 bis 46 Sitzen. Ebenfalls rechnerisch eine Mehrheit hätten die Linkspartei und die AfD (50 Sitze) – die unwahrscheinlichste aller Varianten.
Die Verhandlungen könnten Monate dauern. Denn anders als in Bayern gibt es in Thüringen keine Frist zur Kür eines Ministerpräsidenten durch den Landtag. Was das Ergebnis bedeutet, schreibt Margit Hufnagel im Kommentar. Weitere Hintergründe gibt es in der Politik.
AfD verdoppelt Sitze und überholt die CDU