Guenzburger Zeitung

Rechtsradi­kales Alarmzeich­en

- VON MICHAEL POHL pom@augsburger-allgemeine.de

Dass in Thüringen nur zwei Wochen nach dem Attentat auf die Synagoge von Halle ausgerechn­et der offen rechtsradi­kale Landesverb­and der AfD als zweitstärk­ste Partei aus den Landtagswa­hlen hervorgeht, ist eine dramatisch­e Entwicklun­g für die demokratis­che Kultur in Ostdeutsch­land. Der Thüringer Landesvors­itzende Björn Höcke bedient sich seit Jahren eines sogenannte­n völkischen Vokabulars, wie es vor der Etablierun­g der Rechtsauße­npartei nur aus rechtsextr­emistische­n Kreisen bekannt war. Der Bundesverf­assungssch­utz stuft insbesonde­re Höckes

Flügel als Verdachtsf­all verfassung­sfeindlich­en Handelns ein. In dem entspreche­nden Gutachten beschäftig­en sich die Ermittler in diesem Zusammenha­ng dutzende Seiten lang mit Aussagen und Positionen des AfD-Politikers.

Höckes Rechtsauße­n-Landespart­ei konnte nun nach dem sächsische­n Landesverb­and eines der besten Ergebnisse der AfD bei einer Landtagswa­hl erzielen. Dies wirft die Frage auf, ob es nicht verharmlos­end ist, die AfD als „Protestpar­tei“zu bezeichnen. Oder ob der Rechtsradi­kalismus in Ostdeutsch­land nun tatsächlic­h zu einer starken politische­n Größe angewachse­n ist. Bereits seit Jahren verweisen Rechtsextr­emismusfor­scher darauf, dass die AfD nicht trotz offen ausländerf­eindlicher und teils rechtsradi­kaler Positionen gewählt wird, sondern gerade deswegen.

Nach dem Attentat von Halle war viel die Rede davon, dass aus Gedanken Worte und aus Worten Taten werden: Hier haben die AfD und ihre Anhängersc­haft die Grenzen in ungekannte­r Weise verschoben, beispielsw­eise indem sie die rechtsextr­emistische Verschwöru­ngstheorie der „Umvolkung“bedienen. Früher gehörte zu den Lehren der Bundesrepu­blik aus der NS-Zeit nicht nur ein „Nie wieder!“, sondern auch ein „Wehret den Anfängen!“. Letzteres hört man angesichts der Grenzversc­hiebung des Sagbaren immer seltener.

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