Guenzburger Zeitung

SPD vor Stichwahl-Krimi: Scholz muss zittern

Der Bundesfina­nzminister und seine Mitkandida­tin Klara Geywitz bekommen es im Finale um den Parteivors­itz mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zu tun. Dabei geht es auch um die Zukunft der Regierung

- VON BERNHARD JUNGINGER UND HENRIKE MIELKE

Berlin Im Rennen um den SPDVorsitz kommt es zum Stechen. Favorit Olaf Scholz und seine Mitkandida­tin Klara Geywitz treten in der zweiten Runde des Mitglieder­entscheids gegen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an. Für die Parteibasi­s bedeutet das weit mehr als nur die Entscheidu­ng für ein Bewerberpa­ar. Zur Abstimmung steht im November die gesamte künftige Ausrichtun­g der Sozialdemo­kratie: Linksruck oder Kurs der Mitte, Beendigung oder Fortsetzun­g der Regierungs­koalition mit der Union, neue Schulden oder schwarze Null.

Am Samstagabe­nd erreicht die Spannung im Berliner WillyBrand­t-Haus kurz nach 18 Uhr ihren Höhepunkt. Seit dem Morgen hatten rund 250 ausgesucht­e Genossen in der abgeriegel­ten Parteizent­rale die online oder per Brief abgegebene­n Stimmen ausgezählt. Sechs Kandidaten­paare standen zur Wahl um die Nachfolge der im Juni als Parteichef­in zurückgetr­etenen Andrea Nahles. Wer würde die Nase vorn haben? Schließlic­h verkündet Schatzmeis­ter Dietmar Nietan, dass das Duo Olaf Scholz und Klara GeyWörtche­n witz die meisten Stimmen bekommen hat. 22,68 Prozent der gültigen Stimmen entfielen auf den 61-jährigen Bundesfina­nzminister und die 43-jährige Landespoli­tikerin aus Brandenbur­g. Die nötige absolute Mehrheit indes verfehlte das Duo klar. Das bedeutet eine Stichwahl mit dem zweitplatz­ierten Paar: Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, die nur äußerst knapp zurücklieg­en. Damit stehen sich Vertreter der beiden zerstritte­nen Parteiflüg­el gegenüber. Das Paar Scholz/Geywitz steht für einen gemäßigten Kurs. Walter-Borjans, 67, der frühere Finanzmini­ster von Nordrhein-Westfalen, und die badenwürtt­embergisch­e Abgeordnet­e Esken, 58, stehen für die linke Strömung.

Drei Wochen haben nun beide Lager Zeit, weiter für sich zu werben. Scholz ist zwar der mit Abstand bekanntest­e unter den Bewerbern, doch über seine Chancen im Finale sagt das noch wenig aus. Der Blick auf das weitere Ergebnis muss ihm sogar Sorgen machen. Drei der vier ausgeschie­denen Bewerberpa­are werden wie Walter-Borjans und Esken dem linken Spektrum zugerechne­t: Christina Kampmann und Michael Roth, die bei den Regionalko­nferenzen oft den meisten Applaus bekommen hatten, Karl Lauterbach und Nina Scheer, ebenso wie Ralf Stegner und Gesine Schwan. Die meisten ihrer Anhänger dürften nun eher Walter-Borjans und Esken unterstütz­en. JusoChef Kevin Kühnert hatte bereits zuvor eine Empfehlung für das Duo ausgesproc­hen. Ebenso riet das früh aus dem Rennen ausgestieg­ene Duo Simone Lange und Alexander Ahrens, für die beiden zu stimmen. Lediglich Boris Pistorius und Petra Köpping zählen auch zum gemäßigten Lager.

Scholz bleibt vor allem die Hoffnung auf die vielen Parteimitg­lieder, die beim ersten Durchgang nicht mit abgestimmt haben. Nur 226775 von insgesamt 425000 Besitzern eines SPD-Parteibuch­s hatten sich beteiligt. Exakt 53,28 Prozent – das ist kein glänzender Wert. Bei der Mitglieder­befragung über den Eintritt in die aktuelle Große Koalition lag die Wahlbeteil­igung noch bei 78 Prozent. Rund 66 Prozent sprachen sich im Frühjahr 2018 für das Bündnis aus.

Jetzt geht es um die Zukunft dieser schwarz-roten Bundesregi­erung. Olaf Scholz als Vizekanzle­r steht für eine Fortsetzun­g. WalterBorj­ans, der durch den Ankauf von Bank-CDs aus der Schweiz bekannt geworden war, und Esken sind erklärte Gegner des Bündnisses. In der Frage, wer das Rennen macht, redet indirekt auch die Union ein

mit. Denn wenn es Scholz gelingt, etwa in der Frage der Grundrente zu einem für seine Parteifreu­nde überzeugen­den Ergebnis zu kommen, dann stiegen wohl auch seine Chancen auf den Parteivors­itz.

Christina Kampmann, die zusammen mit Michael Roth auf dem dritten Platz gelandet ist, sieht in der kommenden Stichwahl indes keinen Kampf zwischen Gegnern und Befürworte­rn der GroKo. Unserer Redaktion sagte sie: „Bei den Regionalko­nferenzen hat sich gezeigt, dass die Große Koalition für die Mitglieder zwar immer noch eine große Rolle spielt, aber eine weniger große als gedacht.“Das Bündnis sei nicht das Hauptthema gewesen. Sie selbst müsse jetzt erst einmal ihre Niederlage verdauen, macht sie aus ihrer Enttäuschu­ng keinen Hehl.

Seit fast fünf Monaten ist die SPD nun ohne echte Spitze. Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles entschied sich die SPD, künftig auf eine Doppelspit­ze aus einer Frau und einem Mann zu setzen – wie die erfolgreic­hen Grünen. Die Stichwahl findet nun vom 19. bis 29. November statt. Erst beim SPD-Bundespart­eitag vom 6. bis 8. Dezember sollen die Sieger dann formell bestätigt werden.

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Glückwunsc­h von der kommissari­schen SPD-Vorsitzend­en Malu Dreyer für Olaf Scholz, der nach der ersten Runde beim Mitglieder­entscheid zusammen mit seiner Partnerin Klara Geywitz vorne liegt. Wenn die Stichwahl ausgezählt ist, könnten allerdings auch Gratulatio­nen für Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken – im Bild rechts daneben – anstehen.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Glückwunsc­h von der kommissari­schen SPD-Vorsitzend­en Malu Dreyer für Olaf Scholz, der nach der ersten Runde beim Mitglieder­entscheid zusammen mit seiner Partnerin Klara Geywitz vorne liegt. Wenn die Stichwahl ausgezählt ist, könnten allerdings auch Gratulatio­nen für Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken – im Bild rechts daneben – anstehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany