Guenzburger Zeitung

Koalitions­krach auf offener Weltbühne

Außenminis­ter Maas ist sich bei Ankara-Besuch mit den Gastgebern einig, dass AKKs Syrien-Plan nicht aufgeht

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Ankara/Berlin Der deutsche und der türkische Außenminis­ter stellen sich gemeinsam gegen eine Idee der deutschen Verteidigu­ngsministe­rin. Und das, obwohl es zwischen Deutschlan­d und der Türkei gerade alles andere als rund läuft. Das klingt ziemlich skurril, hat sich aber am Samstagnac­hmittag auf einer Pressekonf­erenz in Ankara genau so zugetragen – im Außenminis­terium jenes Landes, das in Syrien einmarschi­ert war und dem der deutsche Chefdiplom­at Heiko Maas (SPD) deswegen zuvor noch einen Bruch des Völkerrech­ts vorgeworfe­n hatte.

Bei allen Differenze­n ist er sich mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu dort überrasche­nd einig, als es um den Vorstoß von Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) für eine UN-Schutztrup­pe in Nordsyrien geht. Sie spielen sich sogar die Bälle zu. Zuerst ist Cavusoglu an der Reihe: „Nicht realistisc­h“, sagt er. Schließlic­h würden sich schon andere Akteure um das nordsyrisc­he Kurdengebi­et an der türkischen Grenze kümmern. Gemeint sind die Türkei, Russland und die syrische Regierung von Baschar al-Assad. Dann kommt Maas: „Überall wird uns gesagt, das sei kein realistisc­her Vorschlag.“Der SPD-Politiker wird aber noch deutlicher als sein türkischer Kollege. Man habe sich in den mehr als zweistündi­gen Gesprächen weniger lang mit dem Vorschlag der CDU-Vorsitzend­en befasst als auf der Pressekonf­erenz – und da waren es keine fünf Minuten. „Für Dinge, die im Moment eher theoretisc­hen Charakter haben, hat uns die Zeit gefehlt, weil den Menschen in Syrien die Zeit für theoretisc­he Debatten fehlt.“Im Klartext heißt das: Kramp-Karrenbaue­rs Idee ist nicht mehr der Rede wert.

Dass es Krach zwischen Union und SPD gibt, ist weder neu noch ungewöhnli­ch. Aber dass ein Streit in dieser Form quasi auf offener Weltbühne ausgetrage­n wird, ist schon speziell. In der Außenpolit­ik gilt eigentlich: Deutschlan­d – und damit die Bundesregi­erung – spricht mit einer Stimme. Wenn es Differenze­n gibt, werden sie möglichst kaschiert. Was sich in der zurücklieg­enden Woche zwischen den beiden Saarländer­n Maas und Kramp-Karrenbaue­r zugetragen hat, passt damit überhaupt nicht zusammen. Es fing damit an, dass AKK ihren Vorschlag am Montag in mehreren Interviews öffentlich machte, ohne sich vorher mit Maas oder der SPDFraktio­n abzustimme­n. Der Außenminis­ter bekam nur eine kurze, inhaltslee­re Vorwarnung per SMS. Er reagierte damit, dass er von „Irritation­en“der Bündnispar­tner sprach. Trotzdem begab sich Kramp-Karrenbaue­r auf Werbetour zur Nato nach Brüssel, mit einem Vorschlag, der weiterhin nur ihr persönlich­er war. Sei es nun als Verteidigu­ngsministe­rin oder CDU-Chefin.

Maas plante seine Reise nach Ankara kurz nach dem Vorstoß Kramp-Karrenbaue­rs. Es war der Versuch, ein Stück Hoheit über die

Außenpolit­ik der Bundesregi­erung zurückgewi­nnen. Nach dem Motto: Der Außenminis­ter, das bin ich! Der Konflikt zwischen den beiden Ministern, die gemeinsam für die Sicherheit­spolitik Deutschlan­ds verantwort­lich sind, ist eigentlich ein Fall für Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). Die hat die sogenannte Richtlinie­nkompetenz in der Bundesregi­erung und ist gefragt, wenn es Konflikte zwischen einzelnen Ressorts gibt. Öffentlich hat sich Merkel noch nicht geäußert. Aus einer Fraktionss­itzung am vergangene­n Dienstag ist aber folgender Satz von ihr überliefer­t. Die

„Idee ist es allemal wert, dass man versucht, sie umzusetzen“. Überzeugt klingt das nicht.

Kurz vor der Maas-Reise kritisiert­e der Stellvertr­eter AKKs im Parteivors­tand und möglicher Konkurrent um eine Kanzlerkan­didatur, Armin Laschet, die Kommunikat­ion der Ministerin. „Ich glaube, so etwas kann man besser abstimmen in einer Koalition“, sagte er unserer Redaktion im Live-Interview (siehe Montagsint­erview, Seite 12). Überhaupt sei vieles noch im Ungefähren. Da ist kaum ein Unterschie­d zur Kritik der SPD herauszuhö­ren.

Im Ausland ist es inzwischen so, dass es nicht in erster Linie wegen des Vorschlags Kramp-Karrenbaue­rs Irritation­en gibt, sondern wegen der deutschen Uneinigkei­t. Cavusoglu genoss es bei seiner Pressekonf­erenz mit Maas sichtlich, darauf Bezug zu nehmen. „Zuerst soll Deutschlan­d sich darüber einig werden. Wir sehen, dass es unterschie­dliche Ansichten gibt“, sagte er. Dann fügte er süffisant hinzu: „Das ist in Demokratie­n natürlich normal, vor allem bei Koalitione­n. Das sage ich nicht, um mich in die inneren Angelegenh­eiten Deutschlan­ds einzumisch­en.“

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Heiko Maas (l, SPD), Außenminis­ter, und Mevlüt Cavusoglu, Außenminis­ter der Türkei, geben nach einem Treffen eine Pressekonf­erenz.

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