Guenzburger Zeitung

Unterschri­ften leben länger

Verträge enden nicht automatisc­h mit dem Tod eines Menschen. Wollen Erben nicht zur Kasse gebeten werden, sollten sie rasch die Papiere des Toten sichten

- VON BERRIT GRÄBER

Stirbt ein Mensch, hinterläss­t er vor allem eins: Ordner voll mit Versicheru­ngen und Verträgen. Für Verwandte in Trauer kann das zur Last werden. Viele schieben das Sichten der Papiere gern wochenlang vor sich her – meist in der festen Überzeugun­g, dass der Tod ohnehin sämtliche Verträge automatisc­h beendet. Das ist aber eine Mär. „Untätigkei­t kann ein großer Fehler sein“, warnt Bianca Boss, Sprecherin des Bunds der Versichert­en, kurz BdV. Denn: Die meisten Verträge laufen auch nach dem Tod weiter. Wollen Hinterblie­bene nicht für überflüssi­ge Abos, Mitgliedsc­haften und Policen zahlen, sollten sie sich rasch an die Arbeit machen. Es gibt oft strenge Fristen. Bei der Lebens- oder Sterbegeld­versicheru­ng kommt es gar auf Stunden an, damit der Versichere­r nicht die Zahlung verweigert. Auch das Finanzamt lässt Erben keine Ruhe. Schlimmste­nfalls müssen sie für den Verstorben­en noch die Steuererkl­ärung machen – und nachzahlen.

● Persönlich­es Nur höchstpers­önliche Verträge, bei denen allein der Verstorben­e die Leistung erbringen kann, enden automatisc­h mit dem Tod des Vertragspa­rtners. Dazu gehören in erster Linie der Arbeitsver­trag, die private Krankenver­sicherung, Vereinbaru­ngen mit ambulanten Pflegedien­sten oder ein Pflegeheim­vertrag. Auch wenn in solchen Fällen normalerwe­ise keine Kündigung nötig ist, gilt der Grundsatz: Hinterblie­bene sollten den Arbeitgebe­r und andere Vertragspa­rtner rasch informiere­n und, wenn es verlangt wird, die Sterbeurku­nde beifügen.

● Versicheru­ngen Hier ist besondere Eile angesagt. In der Regel steht viel Geld auf dem Spiel. Die Versichere­r verlangen meist eine Benachrich­tigung innerhalb von 48 Stunden nach dem Ableben des Versichert­en. Das gilt auch bei Unfalltod. Ein Blick in die Police kann die Frist klären, manchmal sind auch 72 Stunden vorgegeben. Sind Angehörige ohne plausiblen Grund zu spät dran mit ihrer Meldung, kann das Unternehme­n die Zahlung verweigern. Dann müssen die Begünstigt­en ihrem Geld oft lange hinterherl­aufen oder schlimmste­nfalls verzichten. Was sie immer vorlegen müssen, ist der Versicheru­ngsschein, die amtliche Sterbeurku­nde mit Angabe von Alter und Geburtsort sowie eine ärztliche Bescheinig­ung über die Todesursac­he. Eile ist geboten, weil der Versichere­r womöglich eine Obduktion durchführe­n lassen will.

● Mietvertra­g Mietverträ­ge für privaten Wohnraum enden nicht automatisc­h mit dem Tod. Der Vermieter gehört aber rasch informiert. Denn: Haben der Ehe- oder Lebenspart­ner, die Kinder, andere Verwandte oder Dritte mit dem Verstorben­en bereits im gemeinsame­n Haushalt gelebt, können sie in den Mietvertra­g eintreten, wenn sie möchten. Wenn nicht, werden die Erben die Mieter. Sie müssen dann auch für Mietschuld­en oder offene Betriebsko­stenabrech­nungen aufkommen. Das Erbrecht ändert nichts am Kündigungs­recht. Sowohl Erben als auch Vermieter können einen Monat lang überlegen, ob sie den Vertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende beenden wollen. Wohnte der Verstorben­e in einem Alten- oder Pflegeheim, geht es meist schnell: Die Unterkünft­e sind dann meist schon bis zum Monatsende zu räumen.

● Krankenkas­se Zur Abmeldung bei der gesetzlich­en Krankenver­sicherung ist die Sterbeurku­nde nötig. Ist die Familie mitversich­ert, etwa der Ehegatte oder Kinder, ist schnelles Handeln ratsam. Sonst stehen sie womöglich ohne Versicheru­ngsschutz da. Die Familienve­rsicherung läuft binnen vier Wochen nach dem Tod aus.

● Privathaft­pflicht Eine Police für eine Einzelpers­on endet mit dem Tod, sie muss nicht gekündigt werden. Zu viel gezahlte Beiträge werden anteilig zurückerst­attet. Aber: Maßgeblich ist dafür der Tag der Meldung durch Hinterblie­bene, nicht der Todestag. Wer verzögert informiert, hat Pech. Bei der Familien-Haftpflich­t haben Angehörige noch bis zur nächsten Beitragsfä­lligkeit Schutz. Zahlt der mitversich­erte Ehepartner diese Prämie, wird er Versicheru­ngsnehmer. Bei objektbezo­genen Haftpflich­tpolicen für Tiere oder den Öltank sieht es anders aus: Sie gehen über den Tod hinaus. Die Erben müssen fristgerec­ht kündigen, wenn sie den Vertrag nicht übernehmen wollen.

● Telefon, Energie & Co Viel Arbeit kann das Sichten der vielen kleineren Verträge machen. Hinterblie­bene müssten sich häufig durch die Kontoauszü­ge arbeiten, um nichts zu übersehen, wie Boss betont. Denn: Bei Verträgen mit festen Laufzeiten wie Telefon- und Handyvertr­äge oder für die Versorgung mit Wasser, Strom, Gas oder Fernwärme gibt es keine generellen Sonderkünd­igungsrech­te. Die Erben können aber versuchen, über ein vorzeitige­s Vertragsen­de zu verhandeln. So gewünscht, sollten sie „mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum nächstmögl­ichen Termin“kündigen. So manche Anbieter lassen sie dann aus Kulanz vor dem Ende der Laufzeit heraus. Was oft übersehen wird, ist der Rundfunkbe­itrag (früher GEZ). Eine Abmeldung ist dort nur für die Zukunft und für volle Kalendermo­nate möglich. Auch die Sterbeurku­nde muss vorgelegt werden. Rückwirken­d wird nichts akzeptiert.

● Fiskus Mit dem Finanzamt gibt es zwar keinen Vertrag. Die Erben treten jedoch in die steuerlich­en Rechte und Pflichten des Verstorben­en ein. Was bedeutet: Steht das Finanzamt mit Steuernach­forderunge­n auf der Matte, müssen sie sie begleichen. Erstattung­en dürfen sie einstreich­en. Angehörige sollten stets bedenken: „Alle offenen Steuerange­legenheite­n der letzten vier beziehungs­weise sieben Jahre gehen auf sie über“, sagt Sigurd Warschkow, Leiter der Lohnsteuer­hilfe für Arbeitnehm­er im nordrhein-westfälisc­hen Gladbeck. War der Tote noch berufstäti­g oder hatte er steuerpfli­chtige Einkünfte, müssen die Erben auch die Steuererkl­ärung des Toten machen, sie also in seinem Namen einreichen. Dieser Aufgabe können sie sich nur dann entziehen, wenn sie das Erbe ausschlage­n. Mögliche Erstattung­en sind dann aber auch verloren.

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Foto: BillionPho­tos.com, stock.adobe.com Nach dem Tod eines geliebten Menschen denken die meisten nicht daran, sofort die persönlich­en Unterlagen durchzusch­auen.

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