Guenzburger Zeitung

Bargeld als Bürde

- VON SARAH SCHIERACK schsa@augsburger-allgemeine.de

Wie deutsch man ist, merkt man als Deutscher ja meist erst im Ausland. Wenn all jene Zuschreibu­ngen, die man daheim sofort abstreiten und als böse Klischees brandmarke­n würde, plötzlich doch ein klitzeklei­nes bisschen zutreffen. Das glauben Sie mir nicht? Ich kann es Ihnen beweisen, mit einer Anekdote aus meinem eigenen Leben: Vergangene Woche war ich in Schweden, jenem Land also, das bis 2030 bargeldlos sein will. Münzen und Scheine verschwind­en rasend schnell aus dem öffentlich­en Leben – anders als hierzuland­e, wo uns Deutschen zugeschrie­ben wird, dass wir besonders treu am Bargeld hängen, es mitunter sogar daheim horten, für schlechte Zeiten.

Natürlich wusste ich all das, als ich meine Reise angetreten habe. Ich hatte gehört, dass die Schweden selbst den Kaffee beim Bäcker mit Karte bezahlen, und gelesen, dass nicht einmal das ABBA-Museum Cash akzeptiert. Und doch traute ich dem Ganzen nicht. Mehrere Tage komplett ohne Bargeld? In Deutschlan­d würde ich ganz ohne Bares niemals durchs Leben kommen. Ich suchte also schon am Stockholme­r Flughafen nach einem Geldautoma­ten – sicher ist sicher, sagte ich mir.

Um es kurz zu machen: Ich lag falsch, und zwar sehr. In Schweden ist Bargeld eine Bürde, man wird es nicht mehr los. Schon am Flughafen scheiterte ich mit dem Versuch, das Bahnticket mit meinen neuen Scheinen zu bezahlen. „Kontantfri“, bargeldlos, war das erste Wort, das ich auf meiner Reise lernte. In den folgenden Tagen suchte ich verzweifel­t nach Orten, an denen ich zumindest einen Teil meiner schwedisch­en Kronen wieder loswerden konnte.

Am Ende hat es geklappt, zumindest leidlich. Am letzten Tag trug ich einen Großteil wieder zum Flughafen – und investiert­e das restliche Geld in ein halbes Kilo schwedisch­e Schokolade.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r In Schweden wird – anders als in Deutschlan­d – kaum noch Bargeld genutzt.

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