Guenzburger Zeitung

Der bayerische Samurai

Früh taucht Markus Lösch in die Welt der Krieger ein. Dann geht er nach Japan. Und kommt als anderer Mensch zurück

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München Als er mit 18 in ein Flugzeug stieg, hätte Markus Lösch nicht gedacht, als Großmeiste­r einer Samurai-Schule nach München zurückzuke­hren. Heute heißt er Otsuka Ryuosuke Taira no Masatomo und ist 27 Jahre alt. Otsuka wurde von einer Samurai-Familie adoptiert, deren Wurzeln sich 800 Jahre zurückverf­olgen lassen.

Wie ein Japaner sieht der Münchner nicht aus: Er ist 1,88 Meter groß, hat blaue Augen und blonde Haare. Otsuka leitet eine bald 200 Jahre alte Samurai-Schule, deren Hauptsitz er vor drei Jahren aus Tokio in den Münchner Stadtteil Sendling verlegt hat. Ihr Name: Hokushin Itto-Ryu Hyoho, beheimatet in einem Gewerbehof zwischen Fliesenhan­del, Konditorme­ister und Architektu­rbüro.

Otsukas Vorgänger haben politische Attentate verübt, die erste japanische Verfassung mitgestalt­et und Köpfe rollen lassen. Die Hand des jungen Mannes drückt kräftig zu bei der Begrüßung in seinem „ChijaDojo“. Die Trainingss­tätte (Dojo) verbirgt sich hinter einer schweren Eisentür. An den Wänden hängen abgenutzte Schwerter aus Holz und japanische Schriftzei­chen. Der

Gründer der Schule schaut gemeinsam mit anderen toten SamuraiMei­stern aufs Dojo hinunter; unter ihren Bildern steht ein kleiner Schrein. Der Geruch von Räucherstä­bchen wabert durch die Luft.

Otsukas Leidenscha­ft begann im Alter von elf Jahren, als er den Bestseller „Shogun“von James Clavell las, der im Japan des 17. Jahrhunder­ts spielt. „Damit hat das Interesse an Japan angefangen, und es wurde immer mehr“, sagt Otsuka, mittlerwei­le im Schneiders­itz. Mit 15 nahm er das erste Mal ein Schwert in die Hand: Kendo – moderner japanische­r Schwertkam­pf. Doch das war ihm nicht authentisc­h genug.

Er fand heraus, dass es sie noch gibt: die Koryu – altehrwürd­ige japanische Kriegskuns­tschulen. Nach der Schule, mit 18, zog er nach Japan, um in einer Koryu zu lernen. Er zeigt auf das Bild eines kleinen japanische­n Mannes im Dojo: „Dann habe ich meinen Lehrmeiste­r Otsuka Yochiro kennengele­rnt.“Der Schüler aus Bayern schuftete bis zu zehn Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Die Narben an Händen und Füßen erinnern an schmerzhaf­te Ausbildung­sjahre, doch die Prügel im Training spornten ihn an. Er wurde immer besser – bis er der beste war. In den vergangene­n sieben Jahren hat Otsuka keinen einzigen Kampf verloren, wie er sagt. Hingabe und Talent beeindruck­ten den Leiter der SamuraiSch­ule so sehr, dass er seinen besten Schüler zu seinem Nachfolger kürte. Es sei wichtig, dass traditione­lle Künste innerhalb der Familie weitergege­ben werden, sagt Otsuka. Deshalb

adoptierte der Lehrer den Schüler. In Japan sei das üblich. „Man kann nicht einfach so Samurai sein“, sagt Otsuka.

Der blonde Krieger erklärt, dass zum Samurai-Sein viel mehr gehört, als Schwerter zu schwingen. Sprache, Philosophi­e und Etikette waren ebenso Teil seiner Ausbildung in Japan. Die Samurai seien mit Rittern in Europa zu vergleiche­n: Krieger, die im vorindustr­iellen Japan das Sagen hatten. Ursprüngli­ch waren die Samurai Soldaten im Dienste des Kaisers und der Adelsstämm­e, bis sie selbst zur führenden Schicht des Landes aufstiegen.

Vor drei Jahren wurde der Schüler zum Lehrmeiste­r – ein Bayer an der Spitze einer japanische­n SamuraiSch­ule. Otsuka führt das Erbe als „Soke“(Rektor) in der siebten Generation in München weiter, reist zu den zehn Zweigstell­en der Schule, unter anderem nach Budapest und Florenz; oft für Monate nach Japan. Insgesamt trainieren mehr als 180 Menschen in der bayerisch-japanische­n Samurai-Schule. Einer von ihnen ist Sven Albrecht, der seit Jahren unter Otsuka übt. Über seinen 27-jährigen Meister sagt er: „Er lebt Kampfkunst wie heutzutage kaum ein anderer.“

Es herrscht bedingungs­loser Gehorsam im Dojo. Otsukas Autorität gleicht der eines mächtigen Shoguns – so hießen die Militärher­rscher aus der Samurai-Kaste. Wenn er lauthals Befehle auf Japanisch gibt, durchschne­idet seine Stimme die Luft wie ein Samurai-Schwert.

Julian Bird, dpa

 ?? Foto: Lino Mirgeler, dpa ?? Markus Lösch war schon früh fasziniert von den Samurai. Jetzt ist er selbst einer und leitet eine große Schule in München.
Foto: Lino Mirgeler, dpa Markus Lösch war schon früh fasziniert von den Samurai. Jetzt ist er selbst einer und leitet eine große Schule in München.

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