Guenzburger Zeitung

Ein Blick in die Werkstatt alter Meister

Mit Infrarot und Röntgen untersucht das Doerner-Institut die Gemälde von Malern vergangene­r Jahrhunder­te

- VON CORDULA DIEKMANN Von ihr ließ sich, vor allem im Hinblick auf das Agieren der Titelfigur, wohl auch Augsburgs Ballettche­f Ricardo Fernando inspiriere­n, als er „Giselle“vor gut zehn Jahren für das Theater Hagen in ein neues Gewand kleidete. Diese Fassu

München Antwerpen im Jahr 1609. Ein zehn Jahre alter Bub fängt eine Lehre bei einem Porträtmal­er an. In einem Alter, in dem Kinder heutzutage gerade die Grundschul­e hinter sich haben, lernt Anthonis van Dyck die Grundbegri­ffe der Malerei und hat sechs Jahre später eine eigene Werkstatt. Eine Ausstellun­g in der Alten Pinakothek in München gewährt noch bis 2. Februar 2020 Einblicke in die Arbeit des flämischen Barockmale­rs (1599–1641).

Mehrere Jahre lang haben Experten am Doerner-Institut der Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen dafür mit moderner Technik seine Gemälde unter die Lupe genommen und den Bildern viele Geheimniss­e entlockt, etwa wie der Künstler seine Kompositio­nen entwickelt­e, welche Farbpigmen­te er verwendete oder mit welchen Stellen er so unzufriede­n war, dass er sie noch im Malprozess

überarbeit­ete. Es ist Detektivar­beit, wenn sich die Mitarbeite­r des Instituts ein Kunstwerk vornehmen, mit viel Geduld, scharfen Augen und moderner Technik.

Was die Einrichtun­g so besonders macht: Restaurato­ren, Kunsthisto­riker und Naturwisse­nschaftler seien unter einem Dach und könnten sich austausche­n, sagt die Direktorin Eva Ortner. In Kleinarbei­t und mit spitzem Pinsel säubern die Restaurato­ren ein Bild oder beseitigen Restaurier­ungssünden aus der Vergangenh­eit, indem sie unfachmänn­isch aufgebrach­te Farbschich­ten vorsichtig entfernen.

Doch wie sah das Bild ursprüngli­ch aus? Das kann man tatsächlic­h feststelle­n. Die Gemälde werden geröntgt, mit Infrarotst­rahlen beleuchtet oder unterm Mikroskop erforscht. So wie das Porträt des Wittelsbac­her Pfalzgrafe­n Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, das um 1628 entstand und ihn mit einer

Dänischen Dogge zeigt. Mehrere Kopien existieren davon. Beim Exemplar der Staatsgemä­ldesammlun­gen glaubten Kunsthisto­riker lange, dass es zwar in der Werkstatt van Dycks entstanden, aber nicht von ihm eigenhändi­g gemalt worden war. Um sicher zu gehen, warfen die Forscher einen Blick fast 400 Jahre zurück in die Vergangenh­eit, mit technische­n Mitteln.

Beim Makro-Röntgenflu­oreszenz-Scanning

entstehe eine Art Landkarte zur Verteilung der Farbpigmen­te, erklärt Ortner. „Diese zeigt auch, welche Pigmente wo in tieferen Schichten verwendet wurden.“So wird sichtbar, was ein Maler gemalt und wieder übermalt hat. „Van Dyck hat während des Malprozess­es immer wieder Änderungen vorgenomme­n. Er hat Hintergrün­de und Figuren verändert, deren Gesten und Blickricht­ungen“, sagt die Restaurato­rin. Auch mit dem Bild des Pfalzgrafe­n und der Dogge war der Flame wohl nicht zufrieden. So hatten die Vorderpfot­en des Hundes zunächst eine andere Stellung, stellten die Wissenscha­ftler fest. Das gefiel dem Maler nicht und er übermalte sie. Interessan­te Einblicke, die sich auf den Wert des Gemäldes auswirken dürften. Denn aufgrund dieser Erkenntnis­se sind sich die Kunstforsc­her nun sicher: Bei diesem Bild führte der Barockmeis­ter selbst den Pinsel.

 ?? Foto: Matthias Balk, dpa ?? Gemälde von Anthonis van Dyck untersucht­en die Restaurato­ren des Doerner-Instituts zuletzt in ihrem Atelier. Sie sind nun in einer Ausstellun­g in der Alten Pinakothek zu sehen.
Foto: Matthias Balk, dpa Gemälde von Anthonis van Dyck untersucht­en die Restaurato­ren des Doerner-Instituts zuletzt in ihrem Atelier. Sie sind nun in einer Ausstellun­g in der Alten Pinakothek zu sehen.

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