FCA auf Augenhöhe mit Wolfsburg
Mit einem 0:0 verhindern die Augsburger die Tabellenführung der Niedersachsen und betreiben Wiedergutmachung in eigener Sache. Dabei hilft der Videobeweis
Wolfsburg Der FC Augsburg arbeitet mit kleinen Schritten daran, den mehr als holprigen Saisonstart in der Bundesliga zu korrigieren. Vor einer Woche hatte die Mannschaft von Trainer Martin Schmidt dem FC Bayern München mit einem 2:2 den Sprung an die Tabellenspitze vermasselt, diesmal verhinderten sie die Tabellenführung des VfL Wolfsburg mit einem hart umkämpften 0:0.
Es war das zweite Unentschieden innerhalb von einer Woche gegen eine Spitzenmannschaft der Liga. Und der FCA steht als Synonym für die Schnelllebigkeit der Bundesliga. Vor wenigen Tagen wurden die Augsburger noch als „Lachnummer“und „Schießbude der Liga“bezeichnet, jetzt könnten sie durchaus als Spitzenreiter-Verhinderer eingeordnet werden. Und für FCATrainer Martin Schmidt wird der Punktgewinn an alter Wirkungsstätte eine ganz besondere Genugtuung sein. Denn seine Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit in seiner Beziehung mit der grauen Stadt am Mittellandkanal in Niedersachsen sind nicht die besten. Sein Engagement als Cheftrainer beendete er 2018 selbst nach nicht einmal einem halben Jahr, im kühlen HierarchieGeflecht des Werksklubs kam der Gefühlsmensch Schmidt nicht zurecht. Seine erste persönliche Niederlage. Und als er dann am letzten Spieltag der vergangenen Saison mit dem FCA erstmals wieder zurücksetzte es eine 1:8-Klatsche. Es war nicht nur die höchste Bundesliga-Niederlage für den FCA, sondern auch eine Demütigung für ihn. Doch von alledem wollte Schmidt am Sonntag vor dem Spiel nichts mehr wissen. „Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern“, scherzte er beim Interview mit Sky, um dann ernsthaft anzufügen, dass seine damals neu zusammengestellte Mannschaft mit der jetzigen nicht mehr viel zu tun hat. „Es sind nur noch zwei Spieler dabei.“
Marco Richter und Daniel Baier. Nach überstandener Verletzung stand der Kapitän erstmals nach fünf Spielen Pause wieder in der Startelf. Baier ersetzte den kranken Reece Oxford. Zuletzt war Baier bei der 2:3-Niederlage in Bremen zum Einsatz gekommen. Der 35-Jährige, der 2008 vom VfL zum FCA wechselte, bestritt gegen seinen Ex-Verein sein 336. Pflichtspiel für den FCA. Was für eine Zahl.
Schmidt nahm noch einen Tausch gegenüber dem 2:2 gegen den FC Bayern vor. Er brachte Torschütze Alfred Finnbogason für Jan Moravek. Doch das war mehr als eine Personalie. Schmidt setzte gegen das 4-3-3-System der Wolfsburger ein 4-4-2 mit den Stürmern Finnbogason und Florian Niederlechner. Eine Variante, die gegen Frankfurt (2:1) und auch in Freiburg (1:1) klappte und die auch die erfolgsverwöhnten Wolfsburger in der ersten Hälfte vor Probleme stellte.
Der Gastgeber hatte zuletzt am Donnerstag in Gent in der Europa League 2:2 gespielt und war damit in seinem 12. Pflichtsieg in Folge unbesiegt geblieben. Der neue österreichische Trainer Oliver Glasner hatte nach einer Zeit der gefühlten Tristesse in der oft grau wirkenden Autostadt mit seinem offensiv ausgerichteten Fußball für Farbtupfer gesorgt. Mit einem Sieg gegen den FCA wäre Wolfsburg sogar an die Tabellenspitze gesprungen.
Doch der FCA präsentierte sich nicht als Opferlamm wie im Mai und schon gar nicht wie ein Tabellenvorletzter, der in Gladbach 1:5 untergegangen war. Nein, er zeigte sein zweites Gesicht, eines mit dem Selbstvertrauen, das man sich mit dem 2:2 gegen die Bayern ein wenig zurückgeholt hatte. Und so entwickelte sich in der ersten Viertelstunde ein offener Schlagabtausch. Erst scheiterte Felix Klaus (8.) an FCATorhüter Tomás Koubek, dann fand Ruben Vargas in VfL-Keeper Pavao Pervan seinen Meister (9.). Danach beruhigte sich die Partie. Die FCA-Spieler wurden im stabilen Gerüst des 4-4-2-Systems immer sicherer, während die Wolfsburger nach dem kräftezehrenden Donnerstagstrip kaum mehr Lücken im stabilen Augsburger Defensivverbund fanden.
Auch nach dem Wechsel änderte sich nicht viel an dem Spielgeschehen. Wolfsburg bestimmte zwar das Geschehen, doch der FCA verteikehrte, digte geschickt und versuchte sogar, ab und zu eigene Nadelstiche zu setzen. Es schien alles auf ein unaufgeregtes 0:0 hinauszulaufen. Dann kam die 84. Minute: Der eingewechselte Maximilian Arnold flankte nach innen, im Zentrum verlängerte Jedvaj den Ball mit der Hand unabsichtlich zu João Victor. Der Brasilianer im Wolfsburger Trikot schob zum vermeintlichen 1:0 ein, allerdings stand er zuvor im Abseits. Deshalb entschied Schiedsrichter Tobias Stieler aus Hamburg nach Studium der Videobilder weder auf Elfmeter noch auf Tor.
Der FCA hatte zum ersten Mal in dieser Saison zu null gespielt. Sehr zur Freude von Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter: Auf Sky sagte er: „Jeder sagt, dass wir die meisten Gegentore bekommen haben. Das merkt man natürlich der Mannschaft an. Wir brauchen aber die Kompaktheit. Heute in Wolfsburg zu null zu spielen, ist schon einmal ein Anfang.“Und am Sonntag (18 Uhr) kann es für Reuter und den FCA zu Hause gegen Schalke 04 gerne so weitergehen. (ötz)
VfL Wolfsburg Pervan – Tisserand, Bruma, Brooks – William, Guilavogui, Gerhardt (83. Arnold), Roussillon – Klaus (60. Victor), Brekalo (71. Nmecha) – Weghorst FC Augsburg Koubek – Lichtsteiner, Jedvaj, Uduokhai, Max – R. Khedira, Baier (83. Gouweleeuw) – M. Richter, Niederlechner, Vargas (71. Iago) – Finnbogason (77. Cordova) Schiedsrichter Tobias Stieler (Hamburg) Zuschauer 22 630